Sicher: Die ganz großen Staunmomente fehlten, die allerletzte Delikatesse, noch deutlichere Klangsprachlichkeit, harschere Ausbrüche. Hätte man sich das von einer musikalischen Neueinstudierung des Musikdirektors erwarten dürfen? Schon. Und doch: Ozawa und das Staatsopernorchester boten insgesamt einen lebendigen, hochpulsenden, klangfeinen, kantabel-tänzerischen Mozart dar, der gut unterhielt.
Gut unterhielt auch das Ensemble: Ricarda Merbeth gab die Gräfin Almaviva hollywooddivaesk (Joan Crawford, Olivia de Havilland, die Richtung), ging ihre Arien mal eher episch (2. Akt), dann wieder eher ungeduldig an (3. Akt). Ihr zur Seite war Boaz Daniel ein wohlsingender, jedoch auch eher kleincharismatischer, bernhardinerbraver Almaviva, dem man Stolz und Hochmut (und die Weibernachsteigerei sowieso) einfach nicht ansehen wollte.
Umgekehrt die Sachlage bei Angelika Kirchschlager: Ihr gelang ein darstellerisch einzigartiger Cherubino, bezaubernd, flatterhaft, zart, poetisch und rührend. Gesanglich war die Sache aber nicht ganz so aus einem Guss: Einige Töne leuchteten wundervollst, bei anderen mühte sie sich deutlich mehr, schwindelte sich in pseudoschwebender Manier über Schwierigkeiten hinweg.
Carlos Álvarez alberte sich als Titelheld hyperkomisch (Anklänge an Jim Carrey) durch die müdefarbene, 26 Jahre alte Ponnelle-Inszenierung: ein lustiger Dummian, ein Tölpel, ein Latin Schwafler. Klimax seiner Gesangsdarbietung war das enorm stimmungsvolle Rezitativ im vierten Akt.