... In diesen Tagen könnte sich das Geheimnis lüften: Die Truppe um Schüssel und Khol hat dringend eine vertrauenswürdige Person gebraucht, die dafür sorgt, dass die Ansichten der Gottsucher vom Wesen der Gesellschaft im Allgemeinen und von christlicher Familienpolitik im Besonderen dem Volk auf möglichst amüsante Art näher gebracht werde, womit sich die genannten Herren ja eher schwer tun.

Nun naht der Tag, an dem die Weisheit dieser Personalentscheidung offenbar werden soll. Ab Mittwoch nächster Woche wird der von Monika Lindner souverän dirigierte ORF die von ihm und RTL gemeinsam produzierte Show "Bachelor" aussenden.

Nur die "Kronen Zeitung" , der schon Konfitüre für Marmelade zu ausländisch ist, könnte sich an dem artfremden Ersatz für das heimelige "Junggeselle" stoßen, aber "tv-media" hat die aus dem täglichen Leben gegriffene Serie schon zum Aufreger erklärt, was Langeweile garantiert, und auch Hans Dichand dürfte letztlich gelassen bleiben, geht es doch um Folgendes: Sieben Wochen lang fighten 25 Frauen in einer südfranzösischen Luxusvilla um einen reichen, 30-jährigen Single-Mann. In jeder Sendung wählt der Junggeselle in der "Nacht der Rosen" jene Damen aus, die er in die nächste Runde schicken will. Der Rest fliegt raus. . . Am Ende bleibt jene Frau über, die sein Herz erobert hat.

Macht Dichand im Prinzip nicht seit Jahren und inzwischen mit Tausenden Frauen dasselbe? Nur dass er dafür weder eine südfranzösische Luxusvilla noch eine Nacht der Rosen, sondern nur die Seite 7 der "Krone" braucht. Täglich wählt er eine Dame aus, die er in die nächste Ausgabe schicken will. Der Rest fliegt raus, am Ende bleibt jene Frau über, die diesmal sein Herz erobert hat.

Dazu muss man kein 30-jähriger Single-Mann sein, das kann man auch noch mit 82; und vermag die senile Monotonie dieses Vorganges auch schon lange keinen Aufreger mehr zu produzieren, finden sich doch immer wieder Leser, die dankbar aufatmen bei dem optischen Hinweis, die schwierige politische Lesestrecke des Blattes überwunden zu haben.

Aber die Welt ist ungerecht. Bewirken Dichands erotische Obsessionen nur eingeschlafene Füße, erwecken die geschäftlichen der ORF-Leitung in Politikerinnen aller Parteien Empörung und Protest. Einhelliger Tenor: Die Show sei frauenfeindlich und sexistisch! Wer hätte das gedacht! Und die Forderung: Der ORF soll das adaptierte US-Format - der Sender ABC zeigt bereits die vierte Staffel - aus dem Programm kicken! Wer wird denn an so etwas denken?

Dass dem ORF schon wieder einmal etwas nicht selber eingefallen ist, dämpft die Nörgelsucht der Politikerinnen nicht, auch wenn die Behauptung von "tv-media", Österreichs Frauen steigen auf die Barrikaden, übertrieben sein dürfte. Immerhin: In "Bachelor" wollen 25 Frauen nur eines - einen reichen Mann! Und in den Parteien wollen die Frauen nur eines: Die Spitzenfrau im ORF möge die Kuppelshow "Bachelor" absetzen.

Von den roten und grünen Damen war ja nichts anderes zu erwarten, die stehen den familienpolitischen Bestrebungen der Koalition traditionell kritisch gegenüber. Dass aber auch die Familiensprecherin der ÖVP und die Frauensprecherin der FPÖ gegen eine Sendung Sturm laufen, in der Frauen auf anschauliche Art über das richtige Verhalten unter jenen neoliberalen Wirtschaftsbedingungen aufgeklärt werden sollen, die dem ganzen Land zu verordnen eine Herzensangelegenheit der Regierung Schüssel-Gorbach ist - das ist schon schwerer verständlich.

Wenn ein dynamischer Yuppie mit fremdem Kapital eine Qualitätsoffensive startet, hat er auch ein Recht darauf, dass das Personal ihn dabei durch höchste Flexibilität, Unterordnung unter die von ihm vorgegebenen Ziele und persönlichen Einsatz bis zum Letzten unterstützt. Wer konkurrenzfähig bleiben will, muss sich heutzutage eben den härtesten Anforderungen stellen, das Wahren veralteter moralischer Besitzstände hat unter den Reformbedingungen der Wende ebenso wenig Chancen wie träges Beharren auf Privilegien des Geschlechts. Nur Qualität zählt - und einer muss ja das Risiko tragen zu entscheiden, worin sie besteht. Oder er geht nach Asien, wo alles billiger ist.

Das den Frauen zu ihrem eigenen Besten vor Augen zu führen, hat sich Frau Lindner mit "Bachelor" zum Ziel gesetzt. Daher ist klar: Die ORF-Führung reagiert auf die Vorwürfe gelassen. Der ORF-Programmdirektor: "An diesem professionell umgesetzten Hochglanzformat ist nichts Verwerfliches." Gelassener könnte auch Schüssel seine Kritiker nicht zerschmettern. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.11.2003)