Eine fixe Stelle an der Universität dem Dasein als freie Wissenschafterin vorziehen? Nein. Barbara Herzog-Punzenberger lacht laut auf. Sie dockt lieber immer wieder bei verschiedenen Stellen - Ministerien, Forschungsvereine, EU-Institutionen - an, um sich als freie Forscherin mit Themenschwerpunkt Migrations- und Einwanderungspolitik über Wasser zu halten. Sie ist überzeugt, die EU ist ein Segen für Wissenschafterinnen in Österreich, weil sie Unabhängigkeit von nationalen Förderstellen beschert. Einfach sei es trotzdem nicht, als Freie Forschungsprojekte anzuleiern und dafür komplizierte EU-Anträge zu durchschauen. Was da an Zeit und Geld zu investieren sei, "das wird einem nie abgegolten".

Derzeit ist die Ethnologin ("Ich habe mich schon während des Studiums für das Fremde interessiert") am Wiener Zentrum für soziale Innovation (ZSI) tätig. Dieses Zentrum wurde von Privaten als Forschungsverein gegründet, ist als Institut mit der Universität für Bodenkultur in Wien assoziiert.

Stress ist momentan ihr Begleiter. Herzog-Punzenberger formuliert gerade am Endbericht für ein EU-Projekt. Das nächste Großprojekt wartet schon darauf, umgesetzt zu werden. Die Wände ihres Büros sind mit Flipchart-Papier tapeziert. Darauf steht, dick mit bunten Filzstiften geschrieben, das Konzept zu einem Sechs-Länder-Vergleich über "Zugehörigkeit und Identität" von Migranten. "Wir schauen uns an, wie in jedem Land die Zuwanderung reguliert ist und welche Mechanismen der sozioökonomischen Zugehörigkeit wirken", erklärt die gebürtige Oberösterreicherin. Diese Studie wird als Grundlage für Entscheidungen der Europäischen Kommission in Sachen EU-Einwanderungsgesetze dienen.

Die Forscherin erzählt mit Temperament. Es sprudelt nur so aus ihr heraus. Sie lacht viel. Genauso wie sie nach außen sprüht, explodiert sie, wenn der Ärger zu groß wird. Ihre Umwelt bekomme das öfters zu spüren, gesteht sie. Redet sie über das Verhalten von Österreichern gegenüber Einwanderern, schüttelt sie den Kopf. Ärgerlich, was ihr da an Intoleranz und Unwissenheit sogar im Supermarkt entgegenschlägt.

Dagegen hat sie Kanada positiv erfahren. Als Gastforscherin an der Universität von Calgary war sie bis vor kurzem selber eine Fremde. Sie habe bemerkt, welchen Stellenwert dort Bildung und Schule haben - und eine den Schülerinnen und Schülern vermittelte offene Haltung gegenüber dem Unbekannten. Das würde sie sich als engagierte Elternvertreterin für unser Land auch wünschen.

Die Alleinerzieherin und ihre dreizehnjährige Tochter, die sie nach Kanada begleitet hat, haben Wien vermisst. Die Freunde, Museen und Ausstellungen, das gemeinsame Musizieren. Zu ihrer Lebensqualität gehört es, dass sich die beiden austoben können. Da tanzen Mutter und Tochter schon einmal gemeinsam durch die Wohnung. Popsängerin Anastacia singt dazu von der CD.

Politisch zu denken, das habe sie im Linzer Elternhaus mitgekriegt. Dort wurde viel diskutiert. Durch Hierarchien ist die energische Frau nicht zu beeindrucken. Zivilcourage und wie man gerechte Lösungen sucht, das hat ihr der Vater vorgelebt. Sie hat als Schulsprecherin dann selber versucht Anliegen durchzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist auch ihr Motiv, wissenschaftlich zu arbeiten erklärbar: "Damit will ich aufzeigen, wo es gesellschaftliche Ungerechtigkeiten gibt." (Andrea Waldbrunner/DER STANDARD, Print, 15./16.11.2003)