Wer, wie ich, das Geschehen rund um unsere ÖBB seit Jahren aufmerksam verfolgt und nun vielleicht sogar ein wenig Hoffnung verspürt, dass die jetzigen Entscheidungsträger aus den vergangenen Fehlern gelernt haben, wird in der Tat enttäuscht sein, wenn ihm jetzt vorgegaukelt wird, die so genannten "Eckpunkte" der neuen Bahnreform würden wesentlich zu einer Gesundung unserer Bahn beitragen.

Jeder weiß, was die Führung eines Großunternehmens braucht, um langfristig erfolgreich zu sein - fachliche Kompetenz und klare Entscheidungsstrukturen. Der neue Gesetzesentwurf aber läuft diesen auch im Aktienrecht verankerten Grundsätzen nicht nur total entgegen, sondern ist dazu angetan, die derzeitigen unbefriedigenden Verhältnisse sogar noch zu verschlechtern.

Ministerium legt fest

Zur Illustration: Staatssekretär Kukacka meint in einer Aussendung vom 29. 10. dieses Jahres wörtlich: "Während bisher das Ministerium in Form von Übertragungsverordnungen an die ÖBB festlegte, welche Neubaustrecken zu bauen seien, würden in Zukunft die Organe der ÖBB, also Vorstand und Aufsichtsrat der ÖBB-Bau AG sowie der ÖBB-Infrastruktur AG, bei allen Neubauentscheidungen im Rahmen von sechsjährigen Investitionsplanungen erheblich mehr mitzuentscheiden haben als bisher."

Bemerkenswert ist an dieser Aussage immerhin eines: Nach 13 Jahren intensiver Ausbautätigkeit und nach diesbezüglicher Kritik des Rechnungshofs (schon vor etwa zwei Jahren!) wird erstmals offiziell eingestanden, dass "bisher das Ministerium festlegte, welche Neubaustrecken zu bauen seien".

Vom Minister abgesegnet

In der Praxis hieß das: Die Entscheidungen wurden von Beamten des Ministeriums getroffen, die sich dann zur Absicherung ihrer Entscheidungen die Unterschrift des jeweiligen Ministers holten. (Nebenbei: Es gab acht Minister in zwölf Jahren!) - Und nun soll das alles dadurch besser werden, indem zwei Aktiengesellschaften der ÖBB (Bau, Erhaltung) "im Rahmen sechsjähriger Investitionsplanungen mehr mitzuentscheiden haben"?

Als weiterer schwerer Fehler der angepeilten Vorgangsweise wird sich herausstellen, dass durch die bisherigen Verordnungen und das Festhalten am Generalverkehrsplan kaum eine Möglichkeit besteht, die weit überdimensionierten Investitionen - die Herr Kukacka früher übrigens gerne als "Fleckerlteppiche" kritisierte - auf eine völlig neue Grundlage zu stellen.

Desaster prolongiert

Wie soll ein Bahnunternehmen erfolgreich sein, wenn die Investitionen in eine neue Schieneninfrastruktur langfristig sogar jährlich den Marktumsatz überschreiten? Das ist fahrlässig gegenüber dem österreichischen Steuerzahler und wird auch im Rahmen der EU-Politik (Stichwort "freier Warenverkehr") negativ zu Buche schlagen.

Im Grunde dürften Investitionsentscheidungen einzig und allein von jenen Stellen getroffen werden, die auch die Verantwortung für die Entwicklung eines gut funktionierenden Güter- und Personenverkehrs zu tragen haben; das sind die Güter- und Personenverkehrs-AG - bzw. noch klarer ausgedrückt: der Chef dieser beiden Bereiche.

Der aber ist offenbar dazu angehalten, seine Rolle eher hintergründig anzulegen ... (DER STANDARD Printausgabe, 17.11.2003)