Wien/Graz - Der Streit um das Brustkrebsrisiko einer Hormonersatztherapie (HRT) für Frauen im Wechsel geht weiter: Dienstag kritisierten Mediziner erneut jene in The Lancet publizierte britische Studie, die im August die Ärzteschaft entzweit und viele Betroffene verunsichert hatte. Andere Ärzte warnten erneut.

Wie berichtet, kam die Studie zum Schluss, dass HRT generell das Brustkrebsrisiko um 66 Prozent erhöhe - Östrogen allein um 30 Prozent, eine Östrogen-Gestagen-Kombination gar um das Doppelte.

Das Studiendesign wurde inzwischen vom Wiener Statistik-Analytiker Ernst Rücklinger begutachtet und teils für lückenhaft befunden. Seine Expertise war in der Vorwoche Gegenstand einer Sitzung der Österreichischen Gesellschaft für Sterilität, Fertilität und Endokrinologie. Über die dort diskutierten Kritikpunkte berichtete Dienstag Wolfgang Urdl, Chef der Grazer Universitäts-Frauenklinik.

"grenzwertig signifikant"

Bisherige Studien hätten gezeigt, dass die Sterblichkeit von Frauen mit HRT geringer sei als ohne. Das negative Ergebnis im Lancet sei statistisch nur "grenzwertig signifikant". Nicht verständlich sei, dass "die Dosis der Hormone laut Studie offenbar keine Rolle spielt" und dass Frauen "nach der Menopause ein geringeres Brustkrebsrisiko haben sollten als davor": Das widerspreche vielen Untersuchungen, ebenso das Ergebnis, wonach Frauen mit einem geringeren Gewicht ein höheres Brustkrebsrisiko als dickere hätten. Aufgrund zahlreicher Studien sei man bisher vom Gegenteil ausgegangen.

Für Urdl, der die britischen Studienergebnisse nicht auf Österreich umlegen will, ist klar: HRT soll nur bei schweren Wechselbeschwerden erfolgen. Ist sie aber indiziert, gebe es keine zeitliche Begrenzung. Eine Behandlung bis zu vier Jahren sei wahrscheinlich unbedenklich. "Keinen Platz hat der Hormonersatz für Anti-Aging", schränkte er ein.

"HRT beenden"

Paul Sevelda hingegen, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, hielt an seiner Empfehlung fest, betroffene Frauen sollten ihre HRT beenden: "Der Zusammenhang zwischen HRT und erhöhtem Brustkrebsrisiko ist unbestritten und wird nicht nur durch die Lancet-Studie, sondern auch durch andere bestätigt."

In vielen Fällen könne eine Ernährungsumstellung und regelmäßige Bewegung zu deutlichen Verbesserungen der Wechselbeschwerden führen. Nur bei besonders gravierenden Fällen sollte kurzfristige HRT in Betracht gezogen werden. "Wichtig ist, dass man HRT nach etwa einem Jahr wieder auslaufen lässt, um zu überprüfen, ob Beschwerden überhaupt noch vorhanden sind." (fei/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2003)