Auf dem IT Forum 2003 in Kopenhagen widmete sich ein "Chalk-&-Talk" dem Thema "Microsoft und Open Source". Namhafte Microsoft -Mitarbeiter, darunter Steven Adler, seines Zeichens Senior Strategist von Microsoft EMEA, Bradley Tipp, National Systems Engineer und Tony Poll, Program Manager, standen dem Publikum für Fragen zur Verfügung und diskutierten über Stärken und Schwächen der Unix-Derivate und dem Nutzen und Schaden für Produkte aus dem Hause Microsoft.

"Linux war und ist sehr wichtig"

"Linux war und ist sehr wichtig für Microsoft" so Thomas Lee, "Microsoft liefert dann die besten Produkte ab wenn Konkurrenz da ist. Wenn dies nicht der Fall ist, hat man den Eindruck, dass Microsoft nicht arbeitet. Insofern hat Linux dem Konzern sicherlich positives gebracht". "Linux hat uns auch gezeigt, welche Nachlässigkeiten wir begangen haben - etwa im Bereich der Shareware-Entwickler. Früher gab es viel Shareware für Windows und wir wollen diese Entwicklungen und die Community wieder beleben, etwa durch Newsgroups und spezielle Initiativen. Programmieren muss Spaß machen und die Entwickler sollen Freude haben wenn sie für die Windows-Plattform programmieren".

Sehr wohl

"Wir unterstützen sehr wohl den Gedanken von Open Source", so Bradley Tipp, Natinol Systems Engineer bei Microsoft weiter, "allerdings darf man Open Source nicht mit freier kostenloser Software verwechseln. Wir haben vieles von der Open Source Community gelernt und haben absolut nicht dagegen. Wir sehen unsere Hauptaufgabe im Nutzen für unsere Shareholder und damit natürlich im Geldverdienen. Aber auch unser Code ist für Unternehmen, Behörden und MVPs im Rahmen der Shared Source Initiative einsehbar. Interessanterweise nutzen aber viele Unternehmen diese Möglichkeit gar nicht. Auch alle großen OEMs - etwa Dell, Intel und Toshiba - können den Source Code einsehen und eigene Applikationen entwickeln. Wir wollen ein einheitliches Betriebssystem für den Markt bieten und daher kann kein Unternehmen den Source Code eigenmächtig für seinen persönlichen Vorteil ändern".

Wann kommen Applikationen für Linux?"

Eine Frage aus dem Publikum an die Redner lautete, ob und wann Microsoft Applikationen - etwa Office - auch für Linux anbieten würde. Bradley Tipp antwortete darauf mit einem klaren "Nein", allerdings nicht etwa aus etwaigen Ressentiments gegen die OpenSource-Plattform sondern aus einem einfachen marktwirtschaftlichen Denken. "Diese Frage wird uns sehr oft gestellt", so Tipp. "Wann wird es Applikationen für Linux geben, so wie etwa auch für Apple? Die Gründe warum wir derzeit keine Anwendungen für Linux planen, liegt an den Erfahrungen die wir bislang gesammelt haben. Wenn wir in den Podiumsdiskussionen Anwender fragen, wer Linux verwendet so zeigen einige auf. Fragen wir wer OpenOffice oder StarOffice verwendet, dann zeigen ebenfalls ein paar auf, aber wenn wir fragen wer für sein StarOffice zahlt, dann meldet sich meist niemand. Und genau hier liegt der Knackpunkt. Wenn es ein kommerziell interessantes Modell gibt, dann würden wir natürlich auch unsere Applikationen für Linux bereitstellen, aber es scheint, dass einfach in diesem Bereich niemand bereit ist für Software zu bezahlen." Und Steven Adler ergänzt: "Was nur wenige Leute wissen ist, dass eine der am häufigsten heruntergeladenen Applikationen für den Web-Server Apache eine Microsoft-Anwendung ist. Wir sind offen für alle Entwicklungen und wollen von unserer Seite aus gerne eine möglichst breite Anwendergruppe unterstützen, aber es muss ein gutes Businessmodell dahinter stehen".

Fragen über Fragen

Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden Themen, die vom Auditorium eingebracht wurden, diskutiert und beantwortet. Zu den besprochenen Themen gehörten unter anderem die Bereiche Security, Kosten, Konfigurierbarkeit, aber auch die aktuellen Entwicklungen rund um Office, Novell/SuSE und die Fragen ob Linux wirklich frei ist und was Open aus Sicht von Microsoft eigentlich bedeutet. Weitere Fragen beschäftigten sich mit dem SCO\IBM-Fall, möglichen kommenden Applikationen für Linux, Mono und der Bedeutung von Open Source Software für die Software-Landschaft.

Sicherheit

"Wenn man sich die Webseiten von Linux-Vertreibern, wie Redhat, ansieht, kann man sehen, dass diese Distributionen entgegen der aktuellen Meinung Linux sei sicherer wesentlich mehr Patches veröffentlicht haben, als Microsoft mit seinem Windows Server 2003. Manche meinen nun, dass dies ganz natürlich sein, da es sich hierbei einerseits "nur" um einen Server bei den Linux-Distributionen aber um ein komplettes Paket handelt. Als ich mir im April 2003 nun nur einen speziellen Fall herausgesucht habe, nämlich einen einfachen File-and-Print-Server so fanden sich im SuSE 8.0-Stack, der etwa zeitgleich mit dem Windows Server 2003 veröffentlicht wurde, 20 Patches - unter anderem mit OpenSSL aber auch mit Sicherheitslücken im Kernel. Im Vergleich dazu waren es bei Windows gerade einmal vier Patches. Mir waren auch diese vier zu viel, am liebsten wären mir natürlich keine, aber diese einfach nachzuprüfende Tatsache räumt mit den Vorurteilen auf, dass Linux sicherer als Microsoft sei", so Steven Adler. "Wir sehen unterschiedliche Trends in der Software-Landschaft. Während bei den Konkurrenten - und damit meine ich nicht nur Linux - die Zahl der Patches kontinuierlich steigt, sinkt sie bei Microsoft", so Adler weiter.

Frei und gratis?

Ein weiteres Vorurteil aus Sicht von Microsoft wurde ebenfalls eines der heiß diskutierten Themen: "Warum soll ich für Software zahlen, wenn ich sie gratis bekomme?" und "Ist Linux wirklich gratis". "Unternehmen, die Linux einsetzen, verwenden kommerzielle und daher sehr wohl kostenpflichtige Angebote. Hinter der Distribution muss ein Unternehmen stehen, dass dem Kunden ein Gefühl von Sicherheit gibt und Support anbietet. Unternehmen kaufen nicht Linux, sondern sie kaufen eine IBM-Lösung, die von IBM supported wird und für die Geld verlangt wird. Wenn wir als Beispiel RedHat nehmen, dass kürzlich seinen Support für die kostenlosen Versionen eingestellt hat, sehen wir auch gleich welcher Problematik Unternehmen ausgesetzt sind. Man kann von Firmen nicht erwarten, dass sie selbst Kompilieren oder eine IT-Infrastruktur, die von einem IT-Fachmann aufgesetzt wurde, vom nächsten nicht mehr administrierbar ist.", so die Erklärung warum kostenpflichtige Software weiterhin eingesetzt wird. Der auf dem IT Forum 2003 präsentierte SMS 2003 soll gerade im Bereich Ausrollen von Patches und Applikationen den Firmen wesentliche Erleichterungen bringen.

Migration

"Wir sehen auch keine Migration von Windows zu Linux, sondern eine verstärkte Abwanderung von Unix/Sparc auf andere Betriebsysteme auf Intel-Plattformen. Viele Unternehmen, die einen Wechsel zu Intel machen, suchen auch nach dem besten Betriebssystem dafür, und dies ist nun einmal Windows. Wenn man sich die Total Cost of Ownership ansieht, so schneidet in vier von fünf Fällen Windows als das um bis zu 25 Prozent billigere Angebot ab. Nur im Bereich des Webseiten Hosting waren wir beim letzten Vergleichstest um drei Prozent teurer, aber auch dies sollte sich durch Windwos Server 2003 inzwischen geändert haben", zeigte sich Adler erfreut. "Viele Kunden sehen bei einem Wechsel auf Windows eine Reihe von neuen Möglichkeiten. Im Gegensatz zu der Open Source-Konkurrenz, die nur J2E ermöglicht, kann man mit Windows nicht nur diese sondern natürlich auch die .Net-Plattform, aber auch Apache, Oracle und andere Systeme nutzen. Viele Leute glauben Linux eröffne mehr Möglichkeiten, aber dem ist nicht so", ergänzte Bradley Tipp.

SCO und Novell

Zu beiden Themen gibt es keine offizielle Stellungnahme - "Es ist auch eigentlich nicht so wichtig was wird darüber denken", so Steven Adler. Allerdings zeigt man sich bei Microsoft erfreut über die Übernahme von SuSE durch Novell. "Man muss abwarten welche Entwicklungen dieses Unternehmen macht. Viele Konsumenten dürften von der Übernahme eines deutschen "Shining Stars" der Branche durch ein kommerzielles amerikanischen Unternehmen nicht begeistert reagieren, aber man wird sehen welche Innovationen es bringen wird. Wir sehen im Bereich der Linux-Distributoren noch weitere Konsidierungen. Mehr Auswahl für die Kunden bedeutet auch für uns neue Herausforderungen, daher auch immer neue Weiterentwicklungen und somit auch weitere Verbesserungen", so Adler weiter. Generell sieht Microsoft zuwenig wirkliche Innovationen bei den Open Source-Entwicklern. "Wenn sie sich die grafische Oberfläche ansehen, so ist das nur eine Imitation von Windows", meinte etwa Tony Poll. Auf die Frage eines Besuchers wie Microsoft zum Mono-Projekt (einer Open Source Implementierung des .Net-Framework) stehe, meinte Steven Adler: "Imitation ist die frechste Art des Kopierens. Wir haben hier noch nichts unternommen, aber es bleibt abzuwarten, ob Mono nicht einige Rechte von Microsoft verletzt", so Adler weiter. Auch bei .GNU könnte es nach Meinung von Microsoft zu Verletzungen der Patentrechte kommen.

"Keine PR-Kampagne"

Auch zu den neuesten Gerüchten rund um eine neue PR-Kampagne gegen Linux äußerten sich die Teilnehmer der Podiumsdiskussion. "es handelt sich dabei nicht um eine große PR-Kampagne, sondern es werden lediglich Fakten auf den Tisch gelegt. Wir haben Marktforschung betrieben und geschaut wie lange es von der Entdeckung einer Sicherheitslücke bis zum tatsächlichen Unternehmenseinsatz des Patches bei Linux-Distributionen dauert. Unsere Daten haben wir danach an Forrester übermittelt und sie um eine unabhängige Studie ersucht, die unsere Ergebnisse widerlegen oder bestätigen sollte. Es hat sich gezeigt, dass die Linux-Distributoren länger für das Ausrollen eines Patches benötigen als dies bei Microsoft der Fall ist. Diese Studie soll den Unternehmen beweisen, dass sie mit Microsoft schneller über ein gesichertes Betriebssystem verfügen, als dies bei einer Linux-Distribution der Fall wäre", so Adler. (greg)