Wien - Sinn für Innovation gehört zum Wichtigsten, was Österreich für künftige Generationen, die Wirtschaft und das persönliche Leben aufbauen kann. Es müsse daher in die "Köpfe" investiert werden, fand Gerhard Riemer, Bereichsleiter der Industriellenvereinigung für Forschung und Innovation. Er legte beim Montagsgespräch im Haus der Musik zu Herzen: "Wir müssen den Nachwuchs fördern und in ein Bildungswesen investieren, das Neugierde, Kreativität und Initiative fördert." Die Förderung von Querdenkern, meinte dazu Josef Penninger, der Leiter des Instituts für Molekulare Biotechnologie, erfordere aber eine Verbesserung der Rahmenbedingungen.

Visionen umsetzen

Denn "wirklich innovative Leute wollen ihre Visionen umsetzen", führte Penninger aus. Natürlich sei es schön, in Wien zu leben, aber für Topforscher völlig egal: "Die kommen hier her, weil sie hier ihre Vision umsetzen wollen, genauso wie in New York oder London." Wenn dann aber die Ehefrau eines ausländischen Wissenschafters keine Arbeitsgenehmigung bekäme, sei das "kein Zustand - weil er unglücklich ist, weil sie unglücklich ist, weil sie hier nicht arbeiten kann". Penninger, der 13 Jahre in Kanada forschte, konterte Vorwürfen, warum er bisher "nur" drei ausländische, aber keine inländischen Wissenschafter bestellt habe, mit: "Es ist gescheiter, einen guten Mann zu holen als drei mittelmäßige, denn von ihm kann der Nachwuchs profitieren."

"Wüste mit wenigen Oasen"

Die "Welt des Wissens" verglich der Molekularbiologe mit einer "Wüste mit wenigen Oasen", und diese - also den Nachwuchs - müsse man fördern: Wie gute Künstler oder gute Musiker "denken gute Wissenschafter halt anders. Da ist es wichtig, dass man querdenkende Kinder nicht abdreht", so Penninger, der neben Medizin auch Kunstgeschichte studiert hat. - "Na, dann gehört aber unser gesamtes Bildungssystem hinterfragt", schaltete sich nun Michael Trampert, Senior Vice President von Proudfoot Consulting London und Wien, ein.

"Nicht nur die Jungen müssen wissen, was Innovation bedeutet, sondern die Lehrer eben auch", führte Trampert aus: "Frontalunterricht ist ja bekannterweise nicht die optimale Lernform. Trotzdem führt die normative Kraft der hohen Schülerzahl dazu, dass Lernstoff einfach abzuarbeiten ist." Die Lust am Lernen und die Neugierde würden von einem System wie dem österreichischen wohl kaum gefördert.

Frage des "kollektiven Bewusstseins"

Neugierde, meinte nun Johannes Huber, Leiter der Abteilung für Gynäkologische Endoktrinologie am AKH, sei nicht nur eine Frage des Unterrichts, sondern überhaupt eine des "kollektiven Bewusstseins". Zur Erhaltung von sozialem Wohlstand in einer Zukunft der überalterten Bevölkerung empfahl der Gynäkologe und Vorsitzende der Bioethik-Kommission das Rezept "Fleiß und Leistung: Die jungen Menschen müssen wissen, dass es notwendig sein wird, innovativ zu sein, und dass Fleiß kein Schimpfwort ist. Sonst wird es uns so gehen wie der österreichischen Fußballmannschaft: Hoch dotiert, aber die Erfolge sind nicht so herzeigbar, wie die Subventionen, die sie bekommen", sagte Huber, und: "Ich plädiere für ein Antibiotikum, das sich gegen ein Bazillus richtet, das da heißt: Der Staat soll alles richten" - ein Schwenk zur österreichischen Mentalität, den Norbert Zimmermann, Sanierer und Chef der Berndorf AG, prompt aufgriff.

Investitionsfeindliches Klima

"Natürlich müssen wir schauen, dass wir selber weiterkommen. Allerdings sendet die Politik Signale, dass sie dem Bürger nur das Geld abknöpft", so Zimmermann. Das Ziel von 2,5 Prozent des BIP für Forschung "wurde zwar mit großem Lärm angekündigt", aber allen Anschein nach nicht erreicht: "Für Österreich würde ich mir wünschen, dass Forschung und Entwicklung Chefsache wird. Statt eines Sport-Staatssekretariats gehört ein F&E-Sekretariat eingerichtet", das sich besonders auf Nischenbereiche konzentriert, denn: "Hier liegen versteckte Fähigkeiten" - zum Beispiel in Werkstoff-und Fertigungstechnologien.

Den Stärken stellte Ökonom Zimmermann die Schwächen gegenüber: "Mit unserer typisch österreichischen Haltung von ,Es wird schon nichts werden' schaffen wir ein innovationsfeindliches Klima. Wir lieben den Sieger, zeigen aber wenig Verständnis für die, die siegen wollen. Der Neid will Spitzenleistung verhindern. Wir können wenig Freude am Erfolg der anderen entwicklen - es sei denn, es ist auch der eigene Erfolg", so Zimmermann, und Penninger ging zum Thema Neid noch weiter: "In Österreich heißt es: Der tut eine gute Sache, den ziehen wir schon runter. In Amerika heißt es: Der tut eine gute Sache, das kann ich auch."

Keine angemessene Bezahlung

Es wäre kein Problem, gute Leute hierherzukriegen, die eine gute Sache machen, sagte Penninger, nur: "Wir können sie nicht angemessen bezahlen." Der Molekularbiologe plädierte für mehr Sponsoring oder Steuerbegünstigungen für reiche Österreicher, die Forschung fördern wollen, zusätzlich zu Subventionen. Auch die Industrie könnte Grundlagenforschung als essenziell betrachten. "Das tun wir schon", erwiderte Zimmermann: "Innovationsprozesse sind ein Teil des Geschäfts. Wir entwicklen mit einem Kunden gemeinsam Ideen und innovieren, indem wir für sie produzieren". Leider seien diese Innovationen nicht messbar.

Zur Messbarkeit fand IV-Forschungsexperte Riemer: "Köpfe kommen zuerst, das Geld ist die Voraussetzung. Es muss - wie in der Wirtschaft - ein Maximum an Geld im Vergleich zu den Ergebnissen geschaffen werden. Aber wenn jemand zu wenig Geld hat, muss man sich die Ergebnisse anschauen." Föhrenbergkreis-Denker Trampert bekräftigte: "Finnland und Schweden sind gut, weil sie aufgehört haben zu sagen: ,Wir sind eh gut.' Wenn wir glauben, dass wir so weitermachen können, sind wir nicht zukunftsfähig."

"Bitte", wehrte sich Huber, "ich bin ja auch für Evaluierung, aber hierzulande wird jemand, der ein paar Jahre nicht publiziert hat, nicht gleich rausgeschmissen. Wenn vieles über Bord geworfen wird, dann bitte nicht die Menschlichkeit." Mit diesem "Wort zum Sonntag" verabschiedete Huber sich.

Wir müssen das gesamte Bildungssystem hinterfragen. Die Lust am Lernen wird vom Schulsystem wohl kaum gefördert." Michael Trampert

In Österreich heißt es: Der tut eine gute Sache - den ziehen wir runter. In Amerika heißt es: Der tut eine gute Sache - das kann ich auch. (Josef Penninger/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2003)