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Rot-Grün ist im Trend

foto: apa/epa/dpa/Wiebke Langefeld
Wien/Linz – Ein Jahr nach dem Wahlsieg der ÖVP ist diese in Umfragen um fast vier Prozentpunkte zurückgefallen – sie liegt in sämtlichen veröffentlichten Umfragen derzeit mehr oder weniger deutlich hinter der SPÖ.

Und sie stünde im Falle eines Falles derzeit ohne blauen Partner da – denn die FPÖ käme derzeit nur auf sieben Prozent. "Das geht sich zusammen mit den 39 Prozent der Kanzlerpartei nicht für eine Mehrheit aus", sagt David Pfarrhofer vom Linzer market- Institut, das wöchentlich 400 repräsentativ ausgewählte Österreicher über ihre Wahlpräferenz befragt.

Pfarrhofer: "Rot-Grün hätte eine Mehrheit, wenn jetzt gewählt würde – und in den Koalitionsüberlegungen, welche Parteien die Österreicher gerne in der Regierung sehen wollen, ist Rot-Grün inzwischen die häufigste Kombination geworden." Dagegen sagen 72 Prozent der Österreicher, dass es für das Land nicht gut wäre, wenn die FPÖ der nächsten Regierung angehörte.

Die Grafik zeigt, dass die FPÖ in den letzten zwölf Monaten selten jenen Wert erreichen konnte, den sie bei der Wahl hatte (10,01 Prozent): In den letzten zwei Monaten hat market die FPÖ stets bei sieben oder (seltener) acht Prozent gemessen. Eine in der Vorwoche bekannt gewordene Umfrage des Imas-Instituts wurde mit dem Hinweis veröffentlicht, dass "der Sturz der FPÖ in der Wählergunst gestoppt" sei – aber im Detail geht es da um einen Prozentpunkt: Imas hat zwischen Oktober und November ein Ansteigen der FPÖ-Werte von sieben auf acht Prozent gemessen. Eine am Wochenende im Kurier veröffentlichte Umfrage sieht die FPÖ bei 7,5 Prozent, was allerdings eine in Hochrechnungen nicht zu erzielende Genauigkeit vortäuscht.

Die Schwäche der FPÖ lässt sich auch an den Rohdaten ablesen. Bei der Sonntagsfrage deklarieren sich in den market-Umfragen derzeit nicht einmal vier Prozent der Befragten spontan als mögliche Wähler der Freiheitlichen. Nur durch methodisches Nachfragen – welche Partei am ehesten wählbar erscheint und welche Partei zuletzt gewählt wurde – und durch den Zahlenvergleich bei der Hochrechnung lässt sich die wahrscheinliche Stärke der FPÖ abschätzen.

Grüne Bekennerfreude

Genau andersherum ist es bei den Grünen: Hier deklarieren sich deutlich mehr Befragte als Stammwähler, als die Grünen bei der letzten Wahl tatsächlich hatten – bei der Hochrechnung muss daher ein gewisser Abschlag gemacht werden. Dennoch kommen die Grünen in allen Hochrechnungen auf einen Wert, der deutlich über ihrem Wahlergebnis liegt. Damals waren die Grünen auf 9,47 Prozent gekommen und lagen damit ganz knapp hinter der FPÖ.

Inzwischen sind sich alle Meinungsforscher einig, dass die Grünen die FPÖ abgehängt haben und nun als drittstärkste Kraft gelten können. In der market-Hochrechnung kommen die Grünen auf 13 Prozent, die im Kurier zitierten Hochrechnungen sprechen von 12,5 Prozent.

der Standard ließ auch erheben, welche Koalitionsform von den Österreichern als zukunftsträchtig eingestuft wird. Dazu wurde 400 Wahlberechtigten für jede der Parteien die Frage vorgelegt, ob es für Österreichs Zukunft gut wäre, gehörte die jeweilige Partei der nächsten Regierung an.

Dabei zeigt sich, dass die Sozialdemokratie nicht nur die in Umfragen mehr oder weniger deutlich stärkste Kraft ist, sondern dass sie auch die am stärksten in die Regierungsverantwortung gewünschte Partei ist.

Große Koalition fern

Im Detail sieht das Umfrageergebnis so aus:

Die SPÖ wird von 55 Prozent als Regierungspartei gewünscht – und zwar deutlich stärker von älteren, weniger gebildeten Befragten sowie von Arbeitern. "Ein weiterer Beleg für die hohe Akzeptanz der SPÖ ist, dass eine sozialdemokratische Regierungsbeteiligung nur von 37 Prozent explizit als ,nicht gut‘ für Österreichs Zukunft gesehen wird", sagt Pfarrhofer. Er verweist aber auf das Phänomen, dass die deklarierten ÖVP- Wähler ganz besonders klar gegen eine rote Regierungsbeteiligung sind.

Für Pfarrhofer ist das ein Indiz dafür, dass die große Koalition, die Österreich 1945 bis 1966 und 1987 bis 2000 regiert hat, heute keine besondere Wählersympathie genießt: "Nicht nur die Anhänger der ÖVP sind mehrheitlich gegen eine Regierungsbeteiligung der SPÖ, das gilt umgekehrt, wenn auch nicht in ganz so starkem Ausmaß, auch für die SPÖ-Anhänger, die nicht mit der ÖVP wollen. Die Vorstellung, dass eine große Koalition für das Land gut wäre, ist bei den Wählern der möglichen Partner offenbar in weite Ferne gerückt."

Das lässt sich auch nachvollziehen, wenn man die jeweiligen Wünsche nach einer Regierungsbeteiligung der jeweiligen Partei zusammenzählt. Demnach halten nur 24 Prozent eine Kombination ÖVP-SPÖ (oder umgekehrt) für gut für Österreich.

Die ÖVP wird von 52 Prozent in der Regierung gewünscht. Auch sie wird vor allem von älteren Wahlberechtigten als Regierungspartei geschätzt; besonders hohe Werte erzielt sie bei Selbstständigen und Freiberuflern sowie in Niederösterreich. Starke Ablehnung schlägt einer ÖVP- Regierungsbeteiligung aus Wien und von Jungwählern unter 30 entgegen.

"Vielfach kann man sich die ÖVP-Regierungsbeteiligung eben nur in der vorhandenen Konstellation wirklich vorstellen – und die Ablehnung der FPÖ kann da durchaus eine Rolle spielen", meint Pfarrhofer. Eine schwarz- blaue Farbkombination wird aber nur von zwölf Prozent der Wähler genannt, wobei nur etwa jeder fünfte ÖVP-Wähler auch die FPÖ weiter in der Regierung sehen will.

Grün gegen Schwarz

Eine schwarz-grüne Koalition, wie sie zu Jahresbeginn verhandelt worden ist, ergibt sich rechnerisch aus den Antworten von 22 Prozent der Befragten – hier ist aber zu beachten, dass die Grün-Wähler selbst sehr stark gegen eine ÖVP-Regierungsbeteiligung sind. Schwarz-Grün wird also in hohem Maße von Leuten gewünscht, die selber nicht Grün, wohl aber Schwarz wählen würden; Ein Drittel der ÖVP-Wähler ist für die schwarz-grüne Kombination

Die Grünen werden etwa gleich stark als Regierungspartei gewünscht und abgelehnt. "Auffallend ist, dass die Anhänger der Grünen heute klar von dem Verständnis ausgehen, dass ihre Partei in die Regierung gehen sollte – die Grün-Wähler suchen also in ihrer Partei längst nicht mehr den früheren Protestcharakter", kommentiert Pfarrhofer.

Sechs von zehn Jungwählern wünschen sich die Grünen in der Regierung, ähnlich sehen das Akademiker.

Ganz schlechte Werte haben, wie erwähnt, die Freiheitlichen: Nur 18 Prozent wünschen sich eine weitere blaue Regierungsbeteiligung, am ehesten glauben wenig gebildete und ländliche Bevölkerungskreise, dass die FP gut für Österreichs Zukunft wäre. (Conrad Seidl/DER STANDARD, Printausgabe, 24.11.2003)