An jeder Station ist ein medizinisches Szenario beschrieben, das im ärztlichen Alltag durchaus vorkommen kann. Nur: dieser medizinische Alltag wird simuliert. Die Studenten werden nicht auf Patienten losgelassen, sondern untersuchen am Rechner virtuelle Patienten, müssen aber trotzdem alle Schritte ihres Tuns erläutern. Ersatz Die Universität Witten/Herdecke hat als erste deutsche Hochschule im Modellstudiengang Medizin Teile der Schlussexamen durch Prüfungen am Computer ersetzt. Die Vorteile liegen auf der Hand: Erstens wäre die Belastung während einer Prüfung echten Patienten oft gar nicht zumutbar, fehlerhaftes Verhalten bleibt ohne Konsequenzen. Da viele Krankheiten auch gar nicht gespielt werden können, scheint der Computer mit seinen immer besser werdenden Simulationsmöglichkeiten ein geeignetes Instrument zum Üben zu sein. Übung Ähnlich wie bei der österreichischen Software SEE-KID, wo Mediziner ihren Eingriff am Computer per Mausklick "üben" können, gibt es international zahlreiche Beispiele, die sich Computersimulationen für die Aus- und Weiterbildung von Medizinern zunutze machen. Operationssimulatoren werden in Zukunft für Chirurgen eine vergleichbare Funktion übernehmen wie Flugsimulatoren für Piloten. So wird zum Beispiel schon jetzt am "Anästhesie-Simulator" im OP-Saal der Berliner Charité in Kursen geübt, wie Teamwork während Operationen optimal funktionieren soll. Statt eines Kranken liegt eine sprechende Puppe auf dem Operationstisch, doch die Teilnehmer nehmen ihre Rollen als Narkoseärzte, Operateure und Pflegepersonal wie im richtigen Leben ein und können so aus eventuellen Fehlern via Videoaufzeichnung lernen. System Auch der Operationssimulator der Schweizer ETH Lausanne ist Weltspitze: In diesem virtuellen Patienten steckt ein ausgeklügeltes Robotersystem, das den Widerstand und die Beschaffenheit der Gewebe simuliert und die Tast- und Sinneindrücke einer wirklichen Operation vermittelt. Eine leistungsfähige Software, die auf wirklichen Gewebeschnitten basiert, rekonstruiert in Echtzeit das Bild, das bei einer tatsächlichen Operation über das Endoskop vom Körperinneren zu sehen wäre. Sogar Blutungen durch fehlerhafte Handgriffe werden realistisch dargestellt. Am Schluss kann auf dem Bildschirm der geleistete virtuelle Eingriff ausführlich begutachtet werden. Dieser Simulator wird zurzeit als Pilotanlage an fünf Chirurgiezentren der Welt erprobt. (mia / DER STANDARD Printausgabe, 24.11.2003)