Wien - In diesen Tagen fällt der Startschuss für die Reform der rund 135 Ludwig Boltzmann-Institute. Den Institutsleitern flattern Briefe auf den Tisch, in denen ihnen mitgeteilt wird, dass sich sämtliche Einrichtungen ab 2004 an einer Neuausschreibung bzw. Evaluierung beteiligen müssen, wenn sie weiter bestehen wollen. Künftig sollen alle Institute einen hauptberuflichen Leiter haben, über eine Mindest-Mitarbeiteranzahl von zehn bis 15 Personen verfügen und für maximal sieben Jahre eingerichtet sein, erläuterte der Präsident der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft (LBG), Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, die Eckpunkte der Reform.

Für die Übergangszeit wurden sämtliche Institute einer Analyse im Hinblick auf die Höhe ihres Jahresbudgets, die Höhe der eingeworbenen Drittmittel sowie die Anzahl der Mitarbeiter und Publikationen unterzogen. Mehr als die Hälfte davon wurde zu einer Experten-Evaluierung eingeladen: Sie erhalten für 2004 zunächst die Hälfte ihres Grundbudgets überwiesen, nach positivem Abschluss der Untersuchung - dieser ist für die Jahresmitte vorgesehen - den Rest. Alle anderen Institute bekommen 2004 nur die Hälfte des Grundbudgets, 2005 erfolgt eine weitere Reduktion der Mittel und mit Ende 2005 das Auslaufen des Instituts.

Cluster-Bildung

"Wir haben mehr als die Hälfte zur Evaluierung eingeladen", so Konrad. Wie viele Institute am Schluss überbleiben, könne er nicht vorhersagen - jedenfalls werde versucht, im Sinne der neuen Strategie erfolgreiche Institute zu Clustern zusammenzufassen und zu größeren Einheiten zu kommen, ergänzte LBG-Vizepräsident Ferdinand Maier. "Wer nicht eingeladen wurde, sind Institute mit einem halben Mitarbeiter oder gar keinem, die drei Jahre ohne Publikation geblieben sind - die haben wir selber evaluiert", so Konrad.

Diesen Einrichtungen sage man, dass "auf Grund deiner bisherigen Performance wir nicht glauben, dass du über 2005 hinaus weiter arbeitest": "Nur weil ein Messingschild da ist und eine Visitenkarte, glauben wir nicht, dass es der Idee förderlich ist, da weiterzumachen." Allerdings gebe es die Möglichkeit einer Stellungnahme, und natürlich könne man mit neuen Ideen oder Leuten an einer Neuausschreibung teilnehmen.

Jury entscheidet

Sämtliche Anträge bei dieser Ausschreibung werden einer Jury vorgelegt, die dann einen Prioritätenkatalog erstellt, so Maier. In der Jury sollen laut Konrad "Leute, auf deren Urteil Verlass ist", sitzen. Er denkt dabei an international anerkannte Mitglieder der "scientific community", keinesfalls aber an LBG-Vorstände.

Durch diesen Prozess werde die Anzahl der Institute "merkbar zurückgehen", meinte Konrad - "ein paar werden still und heimlich geschlossen, andere werden sich zusammenfinden, weil sie ohnehin etwas Ähnliches machen". Man wolle nichts Bewährtes, Gewachsenes zerstören, sondern nur "den Wildwuchs eindämmen": "Dort, wo es nur mehr Reminiszenzen gibt, sollen keine öffentlichen Mittel mehr eingesetzt werden." Natürlich rechne man dabei mit Widerstand, weil niemand lieb gewordene Gewohnheiten aufgebe, konzedierte der Raiffeisen-Chef. Sämtliche Vorstandsbeschlüsse zur Reform seien aber einstimmig gefallen, die eingeschlagene Richtung sei auch vom Rat für Forschung und Technologieentwicklung gutgeheißen worden.

Erste Neu-Institute ab 2005

Die Ausschreibung für die neuen Institute beginnt im Jänner, erläutert Konrad. Ende 2004 bzw. Anfang 2005 sollen die Konzeptionen für die neuen Einrichtungen fertig sein, im Laufe des Jahres 2005 würden die ersten ihre Arbeit aufnehmen. Das derzeitige System sowie dessen Institute laufen 2005 aus. Die Forschungs-Schwerpunkte sieht Konrad vor allem in der Medizin und in einem geringeren Ausmaß in den Sozial-, Geistes- und Kulturwissenschaften. Natur- und Ingenieurswissenschaften werden nur in einem medizinischen Kontext unterstützt.

Der typische siebenjährige "Lebenszyklus" eines Boltzmann-Instituts soll folgendermaßen aussehen: Im ersten Jahr erfolgen Gründung und Aufbau, im zweiten steht ein Review zur Feststellung der Betriebsaufnahme auf dem Programm. Im vierten Jahr muss sich das Institut einer externen Evaluierung zur Orientierung für die nächsten Jahre und die Zeit nach der Laufzeit unterziehen, im sechsten Jahr beginnen die Vorbereitungen auf einen eventuellen Neubeginn. Die letzte Periode wiederum steht im Zeichen der Schließung sowie eines eventuellen Umbaus und Neubeginns - für den man sich allerdings wieder neu bewerben muss. Eine längere als siebenjährige Laufzeit eines Forschungsvorhabens kann sich Konrad nur in Ausnahmefällen vorstellen - "aber da ist Flexibilität gegeben".

Neue Struktur

Unabdingbare Voraussetzung für ein Boltzmann-Institut wird künftig ein hauptamtlicher Leiter, der gleichzeitig die wissenschaftliche Verantwortung tragen soll. Unterstützt werden soll dieser von zwei "Key Researcher", die innerhalb des Gesamtforschungsfeldes ein gewisses Spektrum abdecken. Die medizinischen Institute müssen spätestens nach zwei Jahren 15 Mitarbeiter beschäftigen, die sozial-, geistes- und kulturwissenschaftlichen zehn.

Von dieser neuen Struktur erwartet sich Konrad "mehr Professionalität und zeitlichen Einsatz" der Mitarbeiter: "Ein Professor mit 17 Primariaten kann das nicht so machen." Diese "Granden" sollten sinnvollerweise in einen wissenschaftlichen Beirat wechseln. (APA)