Bild nicht mehr verfügbar.

Eruption eines Vulkans bei Java in Indonesien.

Foto: apa/epa/thew
Hamburg - Auf einmal war die gute Zeit vorbei. 500 Jahre hatten sich die Menschen eines milden Klimas erfreut. In den Jahren 800 bis 1300 erblühte die Landwirtschaft, und es fehlte an nichts. Grönland grünte, daher der Name, in England florierte der Weinanbau. Die Temperaturen lagen im so genannten "mittelalterlichen Klimaoptimum" im Jahresmittel vielerorts um 1,5 Grad höher als heute.

Am 2. Mai des Jahres 1303 jedoch standen in Mitteleuropa die Bauern vor ihrem erfrorenen Saatgut und ahnten nicht, wie hart die Zeiten noch werden sollten. Es folgte die "kleine Eiszeit" mit Hungersnöten und gesellschaftlichen Zerwürfnissen. Ein Forscher hat nun Vulkanausbrüche als Ursache für diesen historischen Umbruch ausgemacht.

Die Belege für die feurigen Ereignisse fand der Geochemiker Drew Budner von der South Dakota State University ausgerechnet im ewigen Eis der Antarktis. Wie archäologische Relikte über die Vergangenheit des Menschen, so berichten Eisbohrkerne von der Geschichte des Klimas: Alljährlich schweben Schneeflocken über der Antarktis nieder. Wie Jahresringe in einem Baumstamm geben die Schneeschichten Auskunft über die Umwelt ihrer Entstehungszeit. Denn zwischen den Eiskristallen ist die Luft jener längst vergangenen Zeiten eingelagert. So entstand ein einmaliges Klimaarchiv.

Noch keine Zuordnung

In Schneeschichten des 13. Jahrhunderts fand Budner die Ablagerungen von fünf großen Vulkanausbrüchen. "Wahrscheinlich haben diese Eruptionen den Wandel von warmem zu kälterem Klima ausgelöst", erklärt Budner. Noch konnte der Geochemiker die Spuren keinen bestimmten Vulkanen zuordnen. Dafür sei die Kenntnis über Vulkanausbrüche im Mittelalter zu lückenhaft. So bleibe unklar, welche Vulkanausbrüche die Erde abkühlen ließen.

Es waren Tausende Tröpfchen Schwefelsäure, die Budner die historischen Eruptionen verrieten. Bei Vulkanausbrüchen werden Gase in die Luft geschleudert, die sich in der Atmosphäre in Schwefelsäure umwandeln. Dort wirken die Schwefelsäurewolken wie ein Sonnenschirm: Sie blockieren das Sonnenlicht und kühlen die Erde. Nach einigen Jahren fallen die Säurepartikel mit Regen oder Schnee auf den Erdboden. Im antarktischen Eisarchiv werden die Tröpfchen konserviert. Seine Analysen präsentierte Budner nun auf einer Vulkanologen-Tagung auf der griechischen Insel Santorin.

Der Ort der Tagung war passend gewählt, griff doch der örtliche Vulkan Santorini einst ebenfalls in die Weltgeschichte ein, als sein letzter Ausbruch vor 3500 Jahren die minoische Kultur vernichtete. Auch in der Folgezeit sind vermutlich Vulkanausbrüche für Abkühlungen mit historischen Folgen verantwortlich.

Nur drei Ausbrüche

Jederzeit könnten Vulkanausbrüche die Erde sogar in eine Eiszeit stürzen, meint der renommierte Geologe Frank Sirocko von der Universität Mainz. Seiner Ansicht nach reichten dafür drei Ausbrüche binnen weniger Jahre von der Stärke der Pinatubo-Eruption. Der Grund: Während der vulkanisch bedingten Abkühlung vergrößerten sich die Gletscher. Die größeren Eismassen reflektierten mehr Sonnenlicht ins Weltall und kühlten die Atmosphäre weiter ab.

Der Temperatursturz sei unumkehrbar, denn die aktuelle Neigung der Erdachse mache die Erde empfänglich für eine plötzliche Abkühlung - höhere Breiten bekommen gegenwärtig weniger Sonnenstrahlung ab als sonst. Vor 115.000 Jahren war die Erdachse so geneigt wie heute - damals begann die letzte große Eiszeit. (Axel Bojanowski/DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2003)