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BARBARA GINDL/APA
Der ungarische Schriftsteller Imre Kertész bekam den Nobelpreis für Literatur für seinen autobiografischen Roman eines Schicksalslosen und wurde von der Stadt Wien in diesen Tagen als Schriftsteller des Jahres würdig gefeiert. Auch im ORF durfte er in der als Treffpunkt Kultur bezeichneten Fernsehsendung auftreten - allerdings erst nach 23.00 Uhr, nachdem der "Aufmacher" dem hundertjährigen Johannes Heesters gewidmet worden war.

Kertész beschreibt in seinem Buch seine Erinnerungen an die in Auschwitz verbrachte Zeit vor sechzig Jahren. Heesters hatte zur selben Zeit, in welcher Kertész in Auschwitz darbte, Dachau "besucht".

Sein Biograf, der jetzt ein Buch herausbrachte mit dem schönen Titel "Der Herr im Frack", konnte trotz angeblich großer Mühe nicht herausfinden, ob Heesters in Dachau für die Todesschergen der SS auch gesungen hat oder eben diesen nur einen - sozusagen freundschaftlichen - Besuch abstattete. Und der hundertjährige Heesters kann sich natürlich auch nicht mehr genau erinnern, warum er eigentlich in Dachau war, und schon gar nicht, was dort eigentlich los war.

Merkwürdig, dass sich der eine so genau an das ihm Widerfahrene erinnern kann und ein Buch darüber schreibt.

Der andere jedoch kann sich nur an die schöne Zeit im Berlin der Kriegsjahre erinnern und weiß, dass er Hitlers liebster Danilo war.

Die Holländer erinnern sich immer noch an mehr von ihrem Landsmann "Juppi" Heesters, und deshalb kann dieser bis heute nicht nach Holland.

Und wir hier, auf der Insel der Seligen, gedenken in unserem Staatsfernsehen beider Persönlichkeiten, sozusagen eins zu eins und in derselben Sendung - mit dem eingangs erwähnten entsprechenden Abstand. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.11.2003)