Helmut Zilk: "Das Militär hat auch Erziehungsarbeit zu leisten, es muss vom Geist des Friedens beseelt sein."

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Die Bedrohungen, für die das Bundesheer ursprünglich geschaffen wurde, gibt es nicht mehr. Jene Bedrohungen, die es gibt, kann es nicht allein lösen. Das hat nun auch die Bundesheer-Reformkommission erkannt.

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Wien - Konventionelle Bedrohungen sind weit und breit keine auszumachen. "Der Nachbar, der als Feind aufgetreten ist, den gibt es nicht mehr", formuliert Verteidigungsminister Günther Platter - und dies ist auch der Bundesheer-Reformkommission bewusst, die am Donnerstag tagte.

Dagegen sind subkonventionelle Gefahren (also etwa Terrorismus) gestiegen, auch Folgen des Einsatzes von Massenvernichtungswaffen könnten Österreich treffen, ebenso Naturkatastrophen und Flüchtlingsströme. "Ohne sicheres Umfeld kann es kein sicheres Österreich geben. Es liegt daher im sicherheitspolitischen Interesse Österreichs, sich an der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu beteiligen. Selbstverständlich wird Österreich auch einen angemessenen militärischen Beitrag zu leisten haben", heißt es in einem Positionspapier der Kommission.

Wehrpflicht

Dass in der Kommission die öffentlichkeitswirksame Frage der Wehrpflicht als Allererstes diskutiert worden ist, hat Platter lächelnd zur Kenntnis genommen, "das ist doch völlig klar, dass das zur Sprache kommt". Augenzwinkernd fügt er im STANDARD-Gespräch hinzu: "Das ist doch eine Großzügigkeit, wenn der Verteidigungsminister die Gnade hat, eine solche Diskussion zuzulassen." Und dann wieder ernst: "Sicherheitspolitik ist nicht Parteipolitik - und daher freue ich mich, dass die Diskussion über die Parteigrenzen hinaus geführt wird."

Attachédienst

Noch mehr scheint ihn zu freuen, dass seine Priorität für internationale Einsätze (Schwerpunkt: Südosteuropa) auch in der Kommission aufgegriffen wird. Die Grünen wollen in diesem Zusammenhang allerdings auch die Frage diskutieren, ob der militärdiplomatische Attachédienst nicht zu umfänglich ist.

Auf ihre Anfrage an den Minister bekam die Grünen-Abgeordnete Ulrike Lunacek mitgeteilt, dass Österreich derzeit 29 Offiziere als Militärattachés eingesetzt hat. Insgesamt kostet der Attachédienst acht Millionen Euro.

Die Grünen-Frage, ob da nicht etwas gespart werden könnte, beantwortete Platter mit dem Hinweis, dass die "laufende Beobachtung der militärischen Verhältnisse ... wichtige Grundlagen für Entscheidungen im Inland, wie etwa für Entscheidungen zur Beteiligung an Internationalen Operationen" liefere und daher quasi selber eine Einsparung darstelle.

Platter und Wehrsprecher mit Kommissionspapier zufrieden

Zufrieden sind Verteidigungsminister Günther Platter (V) und die Wehrsprecher der Parlamentsparteien in der Bundesheer-Reformkommission mit dem Grundlagenpapier, auf welches sich das 50-köpfige Gremium am Donnerstag geeinigt hat. Freilich legen die Wehrsprecher unterschiedliche Schwerpunkte. Der freiheitliche Reinhard Bösch etwa unterstrich gegenüber der APA, dass die notwendigen nationalen Anstrengungen in seinem Sinn berücksichtigt würden. SPÖ-Wehrsprecher Anton Gaal und Peter Pilz von den Grünen hingegen unterstrichen die internationalen Aspekte.

"Das Papier deckt sich voll und ganz mit meinen Vorstellungen", so Platter gegenüber der APA. Es werde auf die nationalen Notwendigkeiten Rücksicht genommen, gleichzeitig aber die "absolute Priorität" für die nationalen Aufgaben unterstrichen. Platter bekannte sich auch zur Zielsetzung, ein "Brigade-Äquivalent" für das europäische Krisenmanagement zur Verfügung zu stellen. Ein erster Schritt dafür seien die neuen Prämien-Regelungen für KIOP, die "Kräfte für internationale Operationen".

Nach dem Abschluss der Kommissionsarbeit im Juni müssten dann die nötigen Schritte der Umsetzung der Ergebnisse gesetzt werden, so der Minister. Er gehe davon aus, dass auch die notwendigen Mittel letztlich gefunden werden können.

Pilz verwies ebenso in erster Linie auf das Bekenntnis zu Europäisierung der Verteidigung. "Die klassische Territorial- und Ausbildungsarmee hat ausgedient", sagte er am Freitag gegenüber der APA. Nötig sein werde daher eine "radikale Umstellung" beim Bundesheer. Vor allem Panzer und Artillerie hätten daher keine Zukunft mehr. Pilz erwartet auch ein Ende der Wehrpflicht. "Die Richtung stimmt einmal grundsätzlich", meinte er, "dieses Papier trägt eine neue Handschrift".

Auch für SPÖ-Wehrsprecher Anton Gaal steht der internationale Aspekt bei der "ganz profunden, vernünftigen Unterlage" im Mittelpunkt: "Im Vordergrund steht nicht mehr die klassische Landesverteidigung, die hat nicht mehr den Stellenwert wie in der Vergangenheit." Die vorgegebenen Ziele seien auf einen längeren Zeitraum angelegt durchaus realistisch. Für die Umsetzung nötig seien freilich neue Schwerpunktsetzungen: "Das Heer wird mit Sicherheit kleiner, kompakter, professioneller." Erforderlich sei auch eine Neuordnung des Beschaffungswesens.

Bösch sprach von einer "tauglichen Grundlage für die weitere Debatte". Beide wichtige Richtungen der Streitkräfte-Entwicklung seien berücksichtigt. So sei die Rede von der militärischen Assistenzfähigkeit im Inland, etwa im Hinblick auf subkonventionelle Bedrohungen. Er sei froh, dass die nationale Ebene - so wie von ihm angestrebt - erwähnt werde. Hinsichtlich der internationalen Aspekte unterstrich Bösch, dass mit den neuen Prämien als Gegenleistung für die Verpflichtung zu internationalen Einsätzen ein erster Schritt getan werde.

(Conrad Seidl/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.11.2003)