Wien - Am dritten Abend seines 71. Lebensjahres nahm Krzysztof Penderecki, der luxuriöse Rolls-Royce unter den Gegenwartskomponisten, auch auf dem Olymp des traditionellen Musiklebens, im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins, die für ihn gewohnten Huldigungen mit weltmännischer Gelassenheit entgegen.

Und dies nicht nur, weil er nun 70 wurde, sondern weil er sich an der Spitze der in Hochform aufspielenden Wiener Symphoniker nicht nur als großmeisterlicher Komponist, sondern vor allem auch als höchst respektabler Dirigent - sowohl seiner eigenen Musik als auch, wie am Mittwoch, der romantischen - erwies.

Felix Mendelssohn-Bartholdys Schottische (Nr. 3, a-Moll) gewiss kein Werk, mit dem sich interpretatorische Husarenstreiche vollbringen ließen. Es sei denn, einer, der über die handwerklichen und emotionalen Geheimnisse des Komponierens selbst Bescheid weiß, fungiert als Cicerone durch ihre überwiegend düstere Klanglandschaft.

Wie auch Donald Runnicle den Baton in der linken Hand, versetze Penderecki die Symphoniker vom ersten Ton an mit brachialer Behutsamkeit in anhaltende Hochspannung, die jedoch weniger luzide Virtuosität, sondern eher schmerzhafte Eindringlichkeit zeitigt.

Kann gut sein, dass Penderecki die Akkordfolgen als Sonderfälle changierender Cluster auffasst, mit denen er zu Beginn der 60er-Jahre die westliche Musikwelt revolutionierte. Die melodiöse Geschmeidigkeit im Adagio hingegen umgibt er mit dem feierlichen Ornat des Barock.

Und damit vielleicht schon unbewusst den Geist seines Concerto grosso für drei Violoncelli und Orchester vorwegnimmt, das den zweiten Teil des Abends stellte. Doch ähnlich wie er als Dirigent die Romantik mit Moderne und Barock durchsetzt, so sind Moderne und Barock, die man in seinem Concerto grosso erwartet, hier reich durchädert von süßem Melos, der vor allem den honigfarbenen Instrumenten der Solisten (Boris Pergamenschikow, Claudio Bohórquez und Danjulo Ishizaka) entströmt und auch ins Orchester sickert.

Die Selbstverständlichkeit, mit der Penderecki sich der symphonischen Idiomatik der Spätromantik befleißigt, ist zweifellos imponierend. Vor allem deshalb, weil er mit und trotz dieser zu ganz persönlichen und unverwechselbaren kompositorischen Äußerungen findet. Im Raffinement, mit dem er das Schlagzeug einsetzt, wetterleuchtet diskret sein Frühwerk, die Freude an orchestraler Monodie und manche rhythmische Stürme erinnern entfernt an Schostakowitsch.

Der spontane Erfolg, den Penderecki, seit seinen jungen Jahren erfolgsverwöhnt, auf der ganzen Welt einheimst, beweist, dass eine Mitteilungen verstanden werden. (DER STANDARD, Printausgabe, 28.11.2003)