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Wien habe 1398 Ganztagsgruppen, der Rest Österreichs nur 57 - daher brauche Wien mehr Lehrer, sagt Susanne Brandsteidl.

Foto: APA/Gindl
Wiens Stadtschulratspräsidentin Susanne Brandsteidl hält Pensionierungen von Lehrern ab 50 Jahren für Missmanagement des Bundes. Wien brauche für Integrationsklassen und ganztägige Schulen 300 zusätzliche Lehrer, sagt sie im Gespräch mit Eva Linsinger.

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STANDARD: Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer wirft Ihnen Missmanagement vor.

Brandsteidl: Wenn es Missmanagement ist, dass wir Integrationsklassen haben, dass wir Ganztagsbetreuung haben, dann verstehe ich Gehrer nicht. Das sind gesetzliche Aufträge. Wenn etwas Missmanagement ist, dann ist es das Gesetz der Bundesregierung, wonach im Dezember 50- bis 55-jährige Lehrer in Pension gehen dürfen. STANDARD: Gehrer sagt, Sie hätten die Pensionierungen nicht genehmigen dürfen, wenn Sie die Lehrer brauchen.

Brandsteidl: Das stimmt einfach nicht. Wir haben ein Rechtsgutachten, wonach wir laut einem VwGH-Erkenntnis die Pensionsbescheide nur dann ablehnen können, wenn kein Lehrer im Großraum Wien die Stelle antreten kann. In Wien können wir nicht sagen, dass es keine Lehrer gibt, das geht vielleicht im Kleinen Walsertal. Zudem hat das Ministerium den Pensionierungen zugestimmt und danach gesagt, diese Bundeslehrer werden nicht nachbesetzt.

STANDARD: Das größere Problem sind die 735 frühpensionierten Landeslehrer. Da wirft Ihnen Gehrer vor, Sie wüssten seit dem Finanzausgleich, dass Sie 700 Lehrer zu viel haben, die nicht nachbesetzt werden.

Brandsteidl: Wir verhandeln die ganze Zeit mit dem Bund, weil die Bereiche Integration, ganztägige Schulformen oder muttersprachlicher Zusatzunterricht im Finanzausgleich nicht vorkommen. Daher fordern wir Zusatzlehrer. Wien hat 626 Integrationsklassen, andere Bundesländer haben 20, Wien hat 1398 Ganztagsgruppen, der Rest Österreichs 57, wir brauchen mehr Lehrer. Wien hat eine Sondersituation - wegen der größeren Zahl Kinder mit nicht deutscher Muttersprache, wegen ganztägiger Schulformen - aber all das ist Schulgesetz.

STANDARD: Aber Wien unterschrieb den Finanzausgleich.

Brandsteidl: Landeshauptmann Michael Häupl hat ihn wegen der Sondersituation mit Vorbehalt unterschrieben. Zudem haben wir das Problem nicht nur in Wien, sondern in sieben Bundesländern.

STANDARD: Zahlen Sie zusätzliche Lehrer aus eigener Kasse?

Brandsteidl: Nein. Lehrerfinanzierung ist Bundessache. Wenn wir selbst Lehrer kaufen, verabschieden wir uns von der öffentlichen Schule. Wir hoffen, dass wir Lehrer bekommen, wir brauchen 300. Bis dahin musste ich für 1. Dezember organisieren. Jede Klasse hat Lehrer, alle Integrationsklassen werden weitergeführt, alle bilingualen auch.

STANDARD: Aber viele Lehrer werden versetzt.

Brandsteidl: Wenn der Gesetzgeber den wahnsinnigen Einfall hat, dass der Stichtag für Pensionierungen der 1. Dezember ist, mitten im Schuljahr, müssen wir schnell reagieren. Wir haben über 10.000 Pflichtschullehrer, 98 müssen den Inspektionsbezirk verlassen, 160 müssen von einer Schule in die andere.

STANDARD: Manche Lehrer würden gern ihren Antrag auf Frühpension zurückziehen.

Brandsteidl: Wir haben dazu Anfragen bekommen. Nur: Das ist gesetzlich nicht möglich. Daher meine Forderung: Der Bund muss uns zusätzliche 300 Lehrer geben. Wenn Gehrer sich weigert, muss sie zu den Folgen stehen.

STANDARD: Direktoren klagen, dass sie das Angebot einschränken müssen.

Brandsteidl: Wenn mir der Bund keine Lehrer gibt, kommt es zu Qualitätsverschlechterungen. Unverbindliche Übungen werden reduziert, Förderunterricht auch. Die Zusatzqualität leidet darunter. Wien braucht Zusatzressourcen. Man kann nicht jedes Bundesland gleich behandeln, man muss Ungleiches ungleich behandeln. (DER STANDARD, Printausgabe, 29./30.11.2003)