Eduard Steiner aus Moskau

Der weltweit viertgrößte Erdölproduzent sollte es werden - sein Name "YukosSibneft". Bei der außerordentlichen Aktionärsversammlung von Yukos am Freitag wollte man den neuen Aufsichtsrat bestimmen, als plötzlich ein Verwirrspiel rund um die Fusion des russischen Ölkonzerns "Yukos" mit seinem bisherigen Konkurrenten "Sibneft" einsetzte. Der Deal sei "aufgrund einer gemeinsamen Erklärung ausgesetzt", verkündete Sibneft. Nein, man wisse davon nichts, entgegnete kurz darauf Yukos-Chef Simon Kukes, Yukos würde an der Fusion weiterarbeiten. Der Verwalter des Yukos-Aktienkontrollpakets Leonid Nevzlin sagte, Sibneft habe lediglich technische Schwierigkeiten, deswegen würden am Freitag die Statuten noch nicht geändert; welche Schwierigkeiten wisse er aber nicht. Allerdings hatten am Vortag schon die nötigen Aktionärsversammlungen regionaler Handelsfirmen von Sibneft nicht stattgefunden. Andererseits hat Yukos bereits Anfang Oktober 92 Prozent der Sibneft-Aktien und Sibneft 26,01 Prozent der Yukos-Aktien erworben.

Wie ein Blitz aus heiteren Himmel traf die Meldung vom geplatzten Deal den russischen Aktienmarkt. Die Yukos-Aktie verlor zehn Prozent, Sibneft drei Prozent, der gesamte russische Aktienmarkt wurde ins Minus gezogen. Der russische Wirtschaftsminister German Gref erklärte jedoch, dass die Aussetzung der Fusion "aus makroökonomischer Sicht ein guter Schritt" sei.

Der Eklat macht den Kampf der russischen Führung gegen Yukos zusammen mit der Verhaftung des nunmehrigen Ex-Yukos-Chefs Michail Chodorkowskij weiter zum russischen Dauerbrenner. War doch die geplante Fusion zum Megakonzern das Motiv für die Verhaftung Chodorkowskijs, wie manche Analytiker meinen? Die Staatsmacht habe Druck gemacht, weil sie um ihren Einfluss angesichts des fusionierten Supermonsters bangte, lautet eine Version von Exwirtschaftsminister Jevgenij Jasin. Der Kreml befürchtet, durch eine angekündigte Beteiligung der Konzerne ExxonMobil oder ChevronTexaco an "YukosSibneft" die Kontrolle über nationale Ressourcen zu verlieren.

Als weitere Version kursierte am Freitag, dass Sibneft befürchtet, dass nach der Fusion die Attacken auf "YukosSibneft" übergehen. Laut Wirtschaftsagentur "RosBusinessconsult" wolle der zweitreichste Oligarch Roman Abramowitsch, Aktionär von Sibneft, seinen Besitz vor einer Entwertung schützen - gleichzeitig dürfte er einen Verkauf von Sibneft an Russlands drittgrößte und kremltreue Ölkompanie "Surgutneftegas" vorbereiten. Sie allein sei finanzkräftig, und der Staat würde sich mehr Kontrolle über Öl zurückholen.

Offenbar ist der Kreml mit Abramowitsch übereingekommen, dass er sein Business verkauft und das Land verlässt, mutmaßt ein Investmentexperte. Ein Deal, wie er im Übrigen auch mit Chodorkowskij geplant war, der allerdings nicht darauf einstieg. Laut Financial Times verkauft Abramowitsch, der schon den Fußballklub Chelsea erworben hat, derzeit im Eiltempo seinen Besitz und rettet ihn ins Ausland. Yukos hat eine offizielle Erklärung für den Abend angekündigt. (DER STANDARD Printausgabe 29./30.11.2003)