Hall - Tirols populärster Publizist des 20. Jahrhunderts, der Geistliche Sebastian Rieger alias "Reimmichl" (1867 bis 1953), wird am Sonntag von der Stadt Hall und dem Tyrolia Verlag zum 50. Todestag als "großer Tiroler" geehrt. Hinweise auf dessen vehementen Antisemitismus gibt es dabei nicht.

Rieger war verantwortlicher Redakteur des christlich-sozialen Volksboten und ab 1920 Herausgeber des auflagenstarken populären Jahrbuches "Reimmichl-Kalender". Antisemitische Äußerungen des "Volksschriftstellers" finden sich in beiden Medien immer wieder: "Österreich ist eine Heimstätte des ungläubigsten Volkes - der Juden geworden" (1900), "wo die Juden die Mehrheit sind, schinden sie den Christen bis aufs Blut" (1904), "lieb ist dieses Vaterland . . . höchstens den Juden, die dem armen Staat den letzten Tropfen Blut abzapfen" (1921).

Erstmals kritisch beleuchtet wurde Reimmichls Antisemitismus schon 1986, vom Südtiroler Historiker Leopold Steurer in der Zeitschrift Sturzflüge. In den jetzt zur Feier verbreiteten Unterlagen ist der Rassismus kein Thema.

Altbischof Reinhold Stecher, der die antisemitische Ritualmordlegende um das Anderl von Rinn beendet hatte, feiert am Sonntag den Gottesdienst. Er hat sich jetzt Unterlagen mit den einschlägigen Textstellen des populären Pfarrers zukommen lassen. (bs/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27. 11. 2003)