Ziel der Tagung war es, unter Berücksichtigung der veränderten universitären wie außeruniversitären Rahmenbedingungen methodische und inhaltliche Perspektiven der Frauen- und Geschlechterforschung zu diskutieren und darüber hinaus Strategien zu entwickeln, die angesichts der diversifizierten Forschungslandschaft eine institutionelle (universitär/außeruniversitär) Sicherstellung auch für künftige Generationen von Wissenschafterinnen ermöglicht. Dabei wurden auch Erfahrungen von Wissenschafterinnen aus anderen europäischen Ländern wie Ungarn, Großbritannien und Russland hinzugezogen.
Für Anerkennung und Autonomie
Nachdem Alice Pechriggl, neuerdings Professorin für Philosophie an der Uni Klagenfurt, sich für die pragmatische Anbindung von gendermainstreaming-Maßnahmen und akademischen Genderstudies in Österreich aussprach, gab sich Erzsebet Barat, Lektorin für Linguistik und Genderforschung an der Universität Szeged bezüglich der Lage in Ungarn pessimistisch. Nur in Szeged würden Gender- und Frauenforschung als Studienrichtungen samt Abschluss angeboten. Für den Großteil der Studierenden sowie LehrveranstaltungsleiterInnen ("würden sich nie als feministisch bezeichnen") seien es Fachrichtungen wie jede andere, den derzeitigen Zulauf führt Barat auf die Gültigkeit des Master-Titels in den USA zurück. Feminismus sei als Erbin des totalitären Regimes im Ungarn von heute eine unangenehme Altlast und werde als solche unterdrückt, nicht nur im akademischen, in allen Bereichen der Öffentlichkeit. Es gäbe viel zu leisten punkto Bewusstseinsarbeit und Sensibilisierung, denn bislang wirke die Genderforschung an Unis im Zuge des EU-Beitritts oktroyiert, nach dem Motto "Gut, das können wir abhaken", so ihr Fazit.
Galina Zvereva von der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität skizzierte die akademische Situation in Moskau aussichtsreich. Durch Winter- und Sommerschulen mit Schwerpunkt Frauenforschung seien nun auch an den Universitäten die Lehrpläne bereichert und man versuche, Gendertheorien mit postmodernen zu verknüpfen.
Neben der deutschen Soziologin und Sozialpsychologin Gundrun-Axeli Knapp waren auch zwei britische Dozentinnen zur Tagung angereist: Gabriele Griffin von der Universität Hull stellte eine Studie zur Institutionalisierung von Frauenforschung vor, Elizabeth Harvey von der Universität Liverpool sprach über die Entwicklung des "gendered sight" im Fach Geschichte.
Den Berichten gemein war die Feststellung, dass die begonnene Institutionalisierung der Genderstudies an den Unis weiter betrieben werden muss, auch mithilfe von männlichen Kollegen (wobei Pechriggl auf die Situation in den USA verwies, wo eine Vermännlichung der Geschlechterforschung zu beobachten wäre). Denn nirgendwo in Europa ist die letzte der sechs Phasen (die Griffin in ihrer Studie erarbeitet hatte) der Implementierung erreicht: die der institutionalisierenden und disziplinierenden folgenden, nämlich die autonome, in der volle Anerkennung des Faches eine Prämisse ist.
Futter