US-Plan für Irak-Machtübergabe stößt auf Widerspruch
Neuer Vorsizender des Übergangsrates Hakim fordert Volksabstimmung und direkte Wahlen
Redaktion
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Bagdad - Die Pläne der USA für den Machttransfer im
Irak stoßen auf Widerspruch in dem provisorischen "Regierungsrat".
Der neue turnusmäßige Vorsitzende des von der Besatzungsmacht
eingesetzten Gremiums, Schiitenführer Abdulaziz al Hakim, hat am
Montag eine Volksabstimmung über die Form der Wiederherstellung der
Souveränität verlangt. Die Zahl der getöteten Iraker bei einem
Gefecht zwischen US-Truppen und Widerständlern in der Stadt Samarra
hat sich unterdessen auf 54 erhöht. Wie der Leiter des örtlichen
Krankenhauses am Montag mitteilte, wurden bei dem Zwischenfall am
Vortag acht irakische Zivilisten getötet. 60 Menschen hätten
Schussverletzungen erlitten.
Hakim, Vorsitzender der Schiiten-Organisation "Oberster Rat der
Islamischen Revolution im Irak" (SCIRI), hat am Montag von
Kurdenführer Jalal Talabani den turnusmäßigen Vorsitz im
"Regierungsrat" übernommen. Der Vorsitz in dem 24-köpfigen Gremium
wechselt monatlich unter den neun Mitgliedern seines Präsidiums. Der
provisorische "Regierende Rat" war im Juli von US-Zivilgouverneur
Paul Bremer eingesetzt worden. Für den Zeitplan brauche man "mehr
Zeit, mehr Diskussionen", sagte Hakim der in Bagdad und London
erscheinenden Tageszeitung "Azzaman" (Montag-Ausgabe). "Und er muss
dem Volk zur Beurteilung vorgelegt werden."
Der Plan für die Übergabe der Macht war am 15. November von Bremer
und dem "Regierungsrat" gebilligt worden. Er sieht den Machttransfer,
der die US-geführte Besatzung beenden wird, zum 1. Juli 2004 vor. Die
Übergangsregierung soll aber nicht aus allgemeinen Wahlen
hervorgehen, sondern von 18 Provinzversammlungen ernannt werden,
deren Delegierte in einem vom derzeitigen "Regierungsrat" und der
US-Verwaltung kontrollierten Prozess ausgewählt werden. Dies war vom
schiitischen Großayatollah Ali Sistani kritisiert worden, der als
höchste religiöse Autorität der schiitischen Mehrheitsbevölkerung
gilt. Seiner Forderung nach Änderung des Plans schlossen sich auch
die im "Regierungsrat" vertretenen schiitischen Gruppen.
Abdulaziz al Hakim ist der Bruder von Mohammed Bakir al Hakim, dem
Gründer und langjährigen Führer des SCIRI, der im September bei einem
Bombenanschlag in Najaf getötet worden war. Die Organisation hatte
während der Herrschaft Saddam Husseins aus dem iranischen Exil heraus
agiert. Sie verfügt über großen Einfluss unter den Schiiten, die etwa
60 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Im iranischen Exil hatte
Abdulaziz die Badr-Brigade kommandiert, eine aus übergelaufenen
irakischen Schiiten bestehende Miliz, die von den iranischen
Revolutionswächtern ausgebildet und gelenkt wurde. Nach der Besetzung
des Irak durch die Amerikaner wurde die Badr-Brigade als
Zivilschutzkorps neu organisiert. (APA/AP)
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