Die Hände streng hinter dem Rücken verschränkt, baute sich Deutschlands Verteidigungsminister Peter Struck im Eingang des Nato-Hauptquartiers in Brüssel auf und eröffnete am Montag eine neue Runde im transatlantischen Streit, den Washington wie die Europäer doch seit dem Ende des Irakkrieges vergessen machen wollten. Der deutsch-britisch-französische Vorstoß für eine eigene Militärpolitik samt Planungszelle am Nato-Sitz in Mons sei eine ganz natürliche Sache, ließ Struck wissen: "Das kann und müsste im Interesse der amerikanischen Freunde liegen." Sprach's und verschwand zum Treffen der Nato-Verteidigungsminister.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, mit dem Struck im Vorfeld des Irakkrieges schon mehrfach aneinander geraten war, hatte sich da bereits zu Wort gemeldet. Die Nato habe in der Vergangenheit einen "hervorragenden Beitrag zum Frieden in der Welt" geleistet, sagte der Pentagon-Chef, "man muss schon einen sehr guten Grund haben, um diese Institution zu gefährden". Diesen "sehr guten Grund" nannte am Montag ein anderer deutscher Minister. Im belgischen Brügge, wo er vor Studenten des Europakolleg sprach, verteidigte Joschka Fischer die neuen Pläne für eine gemeinsame Politik in militärischen Krisen- und Konfliktsituationen mit einem alten Argument. Ein "starker europäischer Pfeiler" innerhalb der atlantischen Allianz sei notwendig, sagte der deutsche Außenminister. "Nur ein schwacher europäischer Pfeiler, nicht ein starker, stellt eine Gefahr für die Nato dar."

Warnung vor Doppelstrukturen

Bei ihrem Treffen in Neapel am Wochenende waren die Außenminister der EU mit einem Vorschlag konfrontiert worden, den Emissäre der britischen und französischen Regierung zuvor in Berlin ausgekungelt hatten: EU-Staaten, die wollten, könnten "weiter und schneller" vorangehen bei der Kooperation ihrer Verteidigungspolitik. Eine Beistandsklausel sollte zudem in einen Anhang der künftigen EU-Verfassung aufgenommen werden. "A living document", soll Rumsfeld diesen Vorschlag in der Nato-Ministerrunde am Montag genannt haben, und damit lag er wohl nicht falsch. Der scheidende Nato-Generalsekretär George Robertson mühte sich deshalb auch, dem Vorstoß aus Berlin, Paris und London die Spitze zu nehmen, und warnte eindringlich vor einem "Wettstreit" zwischen Nato und der EU und einer Verdopplung von Strukturen.

Für die österreichische Regierung ist das Dilemma von "nicht dabei sein, aber gleichzeitig nicht ausgeschlossen sein wollen" seit Neapel nun nur noch größer geworden. "Wir können uns sicherheitspolitisch nicht abmelden" meinte Franz Cede, Österreichs Botschafter bei der Nato. Wiens verteidigungspolitische Beobachter in Brüssel erinnern, dass sich Österreich beim EU-Beitritt zur Weiterentwicklung der EU-Außen- und Sicherheitspolitik verpflichtet hat. So gesehen sei eine neue Beistandsklausel, wie Außenministerin Benita Ferrero-Waldner meinte, tatsächlich auch nur eine "Modifikation" der Neutralität. (DER STANDARD, Printausgabe, 2.12.2003)