Milde für vergleichende Werbung in der EU Solange kein Produkt heruntergemacht, kein Hersteller verunglimpft und kein Konsument getäuscht oder irregeführt wird, geht der Europäische Gerichtshof großzügig mit vergleichender Werbung um

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Ein Mann platziert Tomatenketchup gezielt auf ein einzelnes Pommes-frites-Stäbchen. Er verwendet eine Plastikflasche. Während er sein Pommes-Stäbchen genüsslich verzehrt, versucht sein Nachbar vergeblich Ketchup halbwegs mundgerecht aus einer Glasflasche zu schütteln. Er kleckert sich dabei schließlich auch noch an.

Diesen Werbespot hat der Oberste Gerichtshof (OGH) 1980 verboten. Vergleichende Werbung, die Mitbewerber erkennbar macht und herabsetzt, war damals verpönt. Die Bestimmungen sind seit langem liberalisiert. Ab sofort gelten für die vergleichende Werbung jedenfalls aber vorrangig die EU-Regeln. Das ist der Kern des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom im Verfahren Pippig Augenoptik/Hartlauer (Rs. C-44/ 01, vom 8. 4. 2003), das auf Anfrage des OGH erging.

Gemeinschaftsrecht

Mit dem Urteil stellt der EuGH recht deutlich fest, dass in Österreich für vergleichende Werbung jedenfalls keine strengeren nationalen Vorschriften, die vergleichende Werbung einschränken könnten, angewendet werden dürfen. Eine EU-weite Kampagne mit vergleichender Werbung soll nicht in einzelnen Staaten unzulässig sein. Gemeinschaftsrecht stellt in diesem Bereich nicht Mindeststandards für fairen Wettbewerb auf, sondern regelt eine verbindliche Liberalisierung.

Da auch EU-Recht Werbung, die herabsetzt oder verunglimpft, nicht erlaubt, ist es zweifelhaft, ob der OGH den Ketchup-Fall heute anders entscheiden würde. Sinnlos wäre aber jedenfalls der Versuch, Hersteller oder Marke des zum Vergleich herangezogenen Ketchups zu verbergen.

Marke anführen

2003 gilt eher das Gegenteil: Dass Name, Firmenlogo und Geschäftslokale des Mitbewerbers in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall erkennbar waren, hat den EuGH nicht gestört. Noch weniger, dass auf die Marken Bezug genommen wurde. Eine Benutzung von Marken, Handelsnamen oder anderen Unterscheidungszeichen eines Mitbewerbers stellt bei vergleichender Werbung keine Verletzung des Ausschließlichkeitsrechts Dritter dar.

Wer fair und in erlaubter Weise vergleichen will, darf die Marke des Vergleichsproduktes nicht nur, sondern er muss sie sogar in bestimmten Fällen anführen. Etwa dann, wenn die Konsumenten dem Vergleichsprodukt, weil unter einer bekannten Marke vertrieben, ein besonderes Ansehen entgegenbringen.

Nicht irreführend

Auch nach EU-Recht bleibt es natürlich erforderlich, dass der Vergleich wahr ist und nicht in die Irre führt. Dennoch bringen auch die weiteren Argumente des EuGH Klarstellungen, die die beabsichtigte Liberalisierung belegen. So ist ein Preisvergleich nicht deshalb unzulässig, weil ein großer Unterschied zwischen den Mitbewerbern bei der Angebotsbreite des verglichenen Produktes besteht.

Ein Mitbewerber, der die gesamte Produktlinie vom Hersteller bezieht, muss sich Vergleiche eines Mitbewerbers, der nur Teilbereiche über Parallelimporte abdeckt, gefallen lassen. Die für den Vergleich ausgesuchten Produkte und Preise müssen auch nicht den durchschnittlichen Preisunterschied der Konkurrenten widerspiegeln. Grundsätzlich spricht auch nichts dagegen, dass der Werbende erst einen Testkauf durchführt und danach sein eigenes Angebot werbewirksam auf das Vergleichsprodukt abstellt.

Einzelfallentscheidung

Dem Gefühl, dass diese Vorgangsweise eigentlich unfair ist, entgegnet der EuGH, dass der Hinweis auf höhere Preise eines Mitbewerbers nun einmal erlaubt ist und für sich gesehen weder herabsetzt noch verunglimpft.

Was künftig konkret erlaubt ist, bleibt dennoch der Einzelfallentscheidung vorbehalten. Auch die EU-Richtlinien schränken Vergleiche ein und regeln keine Beispiele, sondern halten Grundsätzliches fest: So darf die Werbung nicht täuschen oder in die Irre führen. Der Vergleich muss objektiv und fair sein. Wesentliche Eigenschaften und nicht Nebensächlichkeiten sind zu vergleichen. Der Vergleich darf nicht herabsetzen, verunglimpfen oder zu Verwechslungen führen. Auch darf man Markenprodukte eines Konkurrenten nicht zuerst nachahmen und anschließend die Preise vergleichen. (DER STANDARD; Printausgabe, 2.12.2003)