Zürich/Bern/Paris/Düsseldorf/Frankfurt - Der in Genf präsentierte parallele Nahost-Friedensplan ist am Dienstag Gegenstand zahlreicher Pressekommentare:

"Neue Zürcher Zeitung":

"Der Hauptzweck der Genfer Initiative liegt darin, dass sie zum Nachdenken provoziert. Wer den Inhalt dieses in mehr als zweijähriger Arbeit erarbeiteten Abkommens zur Kenntnis nimmt, sollte sich zumindest fragen, was denn an den vereinbarten Lösungen für die Kernprobleme des israelisch-palästinensischen Konflikts falsch oder inakzeptabel ist. Das detaillierte Vertragswerk gibt ganz konkrete Antworten auf folgende schwierige Fragen: In welchen Grenzen soll der künftige palästinensische Staat entstehen? Welche israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten müssen aufgegeben werden und welche nicht? Welche praktischen Lösungen werden den bei der Staatsgründung Israels vertriebenen oder geflüchteten Palästinensern angeboten? Wie werden die Statusfragen zu Jerusalem zwischen den Konfliktparteien gelöst? Erstmals wird damit der Öffentlichkeit ein Lösungsmodell vorgestellt, in dem nicht - wie beim Oslo-Abkommen von 1993 oder bei der vor einigen Monaten lancierten Roadmap - der Weg zu einer möglichen definitiven Friedensvereinbarung skizziert wird, sondern ein umfassendes Abkommen bereits im Detail ausformuliert ist. Belegt wird damit gleichzeitig, dass es unter Israelis und Palästinensern zumindest bestimmte Gruppen gibt, die sich selbst in den heikelsten Fragen durchaus auf praktische Lösungen verständigen können."

"Berner Zeitung":

"Der Alltag in Israel und den besetzten Palästinensergebieten wird heute von einer Strategie der Gewalt bestimmt, bei der sich (Israels Ministerpräsident Ariel) Sharon und die palästinensischen Extremisten in die Hände spielen. Höchste Zeit, dass auch andere Kräfte wieder in dieses Spiel um Leben und Tod eingreifen - auch wenn sie keine andere Macht haben als die des Wortes."

"Le Monde":

"Die Friedensvereinbarung ist nicht offiziell, doch sie ist umfassend. Im Westjordanland und im Gaza-Streifen wird ein palästinensischer Staat geschaffen, und Israel zieht sich aus diesen beiden Gebieten weitgehend zurück. Jerusalem wird gemeinsam verwaltet, die Palästinenser verzichten auf ein Rückkehrrecht von etwa 3,8 Millionen Flüchtlingen nach Israel. Wenn der Frieden eines Tages Wirklichkeit werden soll, wird er in etwa diese Elemente enthalten. Man hat jedoch den Eindruck, als hätten das offizielle Israel und die palästinensische Nationalbewegung Angst, ihre jeweiligen Anhänger mit diesem Kompromiss zu konfrontieren. Als hätten sie Angst vor dem Frieden."

"Handelsblatt":

"Die Hoffnung stirbt zuletzt. Mit Blick auf den nahöstlichen Krisenherd ist diese Sentenz schon oft hart strapaziert worden. Gleichwohl gibt es zu ihr keine Alternative. Folglich muss der jetzt in Genf präsentierte alternative Friedensplan fast zwingend mit der Vokabel Chance garniert werden. Erstmals in der Geschichte des israelisch-palästinensischen Konflikts haben nämlich honorige Vertreter beider Seiten die tiefen politischen Gräben übersprungen und ein Konzept formuliert, das einen Weg in Richtung Frieden weisen könnte. Zwar ist in dem jetzt auf dem Tisch liegenden Vorschlag wenig zu finden, was nicht in vielen zuvor formulierten Plänen nachgelesen werden kann. Aber die Autoren präzisieren doch einmal mehr und vor allem ohne diplomatische Schnörkel die harten Tatsachen, denen man sich in Jerusalem und Ramallah stellen muss: Beide Kontrahenten müssen, soll es jemals zu einem von Gewalt freien Nebeneinander kommen können, schmerzliche Zugeständnisse machen."

"Frankfurter Rundschau":

"Nicht zuletzt ist durch 'Genf' neue Dynamik in den diplomatischen Prozess gekommen: Washington hat seinen Sondergesandten William Burns nach wochenlanger Pause wieder nach Nahost geschickt, die Vorgespräche für ein Treffen Sharons mit dem palästinensischen Premier laufen auf Hochtouren, und in Kairo werden Vertreter der bewaffneten Fraktionen aus Gaza und Westbank zu neuen Waffenstillstandsverhandlungen erwartet." (APA)