Wien - Gegen den Willen der EU wurde der Bericht über Antisemitismus in Europa veröffentlicht. Der Report befasst sich unter anderem mit Zusammenhängen zwischen Antisemitismus und anti-israelischer Kritik. Über Österreich heißt es in dem Bericht, der die erste Jahreshälfte 2002 untersucht, unter anderem:

"Innerhalb der Bevölkerung Österreichs (acht Millionen) bilden Juden eine kleine Minderheit von etwa 8000 Personen, die hauptsächlich in Wien leben. Das österreichische Problem des Antisemitismus scheint sich eher auf diffuse und traditionelle Stereotypen zu konzentrieren als auf Akte physischer Gewalt. Extrem rechte und Neo-Nazi-Gruppen haben ihre Aktivitäten seit dem Jahr 2000 intensiviert, ermutigt durch den Wahlerfolg der FPÖ im März 1999.

Antisemitismus ist eine ideologische Hauptkomponente der meisten extrem rechtsgerichteten Gruppen und deren Publikationen in Österreich. Im Laufe der letzten Jahre wurden Themen, die direkt die nationalsozialistische Vergangenheit betreffen, immer wieder in der Öffentlichkeit diskutiert. So wurden Demonstrationen gegen die Wehrmachtsausstellung veranstaltet, es gab eine Kontroverse bezüglich des im Jahr 2000 eingeweihten Holocaust-Mahnmals und über die Frage der Restitutionen.

Im Beobachtungszeitraum war Antisemitismus ein wichtiges Thema in der öffentlichen Auseinandersetzung. Der Hauptstreitpunkt in vielen Diskussionen war, ob es antisemitisch sei, einzelne Juden oder die israelische Politik zu kritisieren oder zu beleidigen. Die Qualitätszeitungen lieferten eine ziemlich klare Antwort: Kritik an oder Diffamierung von Juden wegen ihrer jüdischen Identität sei tatsächlich ein Akt des Antisemitismus. Dagegen könne man die Kritik an der Arbeit oder dem Verhalten von Personen jüdischer Herkunft nicht als antisemitisch werten. Wir stimmen mit dieser Definition überein (...).

Einige Diskussionen zeigten jedoch, wie fließend die Konzepte von Antisemitismus und anti-israelischer Kritik sind. Besonders in dieser Grauzone wurden Ideen wie jene einer weltweiten jüdischen Verschwörung, die "political correctness diktiert", ziemlich offen zum Ausdruck gebracht. (...)

Die Medienanalyse der Tageszeitungen ergab, dass drei Leserbriefe eine antisemitische Sprache enthielten. In einem Brief wurden die Israelis beschuldigt, selbst für das Entstehen des Antisemitismus verantwortlich zu sein. (...)

Die Analyse rechtsgerichteter Zeitungen brachte zu Tage, wie anti-israelische Äußerungen rechter Politiker und Journalisten mit dem Antisemitismus in Verbindung stehen und das Repertoire antisemitischer Stereotypen auswalzen.

In einem Interview (in "Zur Zeit" 31. Mai - 6. Juni 2002) sprach Jörg Haider über den notwendigen Kampf gegen den Terrorismus im Gefolge des 11. September, einschließlich des Kampfes gegen 'den Staatsterrorismus Israels gegen die Palästinenser'. (...) Haider beschuldigt die Medien, zu einer unvergleichlichen 'Volksverdummung' beizutragen, indem sie die 'wahren Hintergründe des machtpolitischen Konflikts in der Welt und besonders im Nahen Osten' verschleierten. (...)"

Für die Autoren der Studie ist folgende Episode bezeichnend für das Verhältnis österreichischer Politiker zu den Juden, zum Antisemitismus und zu Israel:

"Im Vorjahr enthüllte die Gemeinde Salzburg eine Gedenkplakette für Theodor Herzl mit der Inschrift: 'In Salzburg brachte ich einige der schönsten Stunden meines Lebens zu.' Bundespräsident Thomas Klestil informierte den Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden, dass er das gesamte Zitat aus dem Tagebuch Herzls vorziehen würde: 'Ich wäre auch gerne in dieser schönen Stadt geblieben, aber als Jude wäre ich nie zur Stellung eines Richters befördert worden.' (...)" (APA)