Ganztagsschulen gibt es in Italien seit über 30 Jahren. Seit ihrer Einführung im September 1971 erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit. Rund ein Viertel aller italienischen Volksschulen bieten Ganztagsunterricht an. Italienweit werden 22 Prozent aller Grundschüler in solchen Klassen unterrichtet - mit erheblichen regionalen Unterschieden.
So ist der Anteil in ländlichen Gebieten geringer, in den Städten steigt er auf Spitzenwerte von 33 Prozent. Im Norden ist der Anteil wesentlich höher als in Süditalien.
Seit einigen Monaten tobt um die Ganztagsschule ein heftiger Streit. Italiens Unterrichtsministerin Letizia Moratti hat eine Reform angekündigt, die Schulgewerkschaften, Eltern- und Lehrerverbände als "Todesurteil für die Ganztagsschule" ablehnen. Moratti will die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunden von 40 auf 27 reduzieren und damit in jeder Klasse einen Lehrer einsparen.
Unterrichtsbegleitung
Bisher wurden die 40 Wochenstunden von zwei Lehrern geleistet, die auch beim Mittagessen und beim Spiel im Schulhof mit dabei waren. Diese zehn Stunden sollen nicht mehr als unterrichtsbegleitende Tätigkeit angerechnet werden. Über die Gestaltung weiterer drei Stunden sollen die Eltern entscheiden.
Eine Befragung zeigt allerdings, dass der Vorschlag der Ministerin von 82 Prozent der italienischen Eltern abgelehnt wird. Die geplante Reform pervertiere den "Sinn der Ganztagsschule", so die Schulgewerkschaften.
"Wir haben immer Wert auf die Integration von Denken und Handeln gelegt. Schulische und außerschulische Tätigkeiten sollen sich sinnvoll ergänzen", erläutert Clara Bianchi, Lehrerin in einer Mailänder Ganztagsschule. "Es war für uns wichtig, auch beim Essen und beim Spiel dabei zu sein. Jetzt läuft alles darauf hinaus, dass am Nachmittag nur mehr Nachhilfeunterricht für schwächere Schüler angeboten wird."
Am 20. September protestierten 10.000 Lehrer in Bologna gegen die geplante Schulreform. Weitere Aktionen sind geplant.