Während des deutschen Bundestagswahlkampfs 2002 haben sich die Hauptnachrichten der deutschen Fernsehsender nach Ansicht von Medienforschern nur unzureichend mit den politischen Inhalten der Parteien beschäftigt. Stattdessen sei der Berichterstattung über das Elbe-Hochwasser überproportional viel Sendeplatz eingeräumt worden, heißt es in einer Untersuchung des Bonner Medienforschungsinstituts Medien Tenor.

"Seifenoper um die überfluteten Bundesländer"

"Mitten im Bundestagswahlkampf haben die öffentlich-rechtlichen wie auch die privaten Sender eine Seifenoper um die überfluteten Bundesländer im Osten ausgestrahlt", heißt es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung zum jüngsten Forschungsbericht. Der Anteil der Elbe-Flut an der Berichterstattung habe in dieser Zeit 40,9 Prozent betragen und damit in einem "deutlichen Missverhältnis zur Zahl der Betroffenen" gestanden. Nur 0,8 Prozent aller Deutschen seien von der Flut tangiert gewesen. Informationen zur Bundestagswahl und dem Angebot der Parteien hätten in dieser Zeit 32,1 Prozent der Nachrichtensendungen ausgemacht.

Zwar sei es notwendig, einen Schwerpunkt zu setzen, solange eine Katastrophe wie die Flut aktuellen Nachrichtenwert habe. "Fragwürdig ist allerdings, wenn die ZDF-"heute"-Redaktion der Flut im August über die Hälfte ihrer Beiträge widmet, im Wahlmonat September der Bundestagswahl aber gerade ein Sechstel aller Beiträge zugesteht." Ausgerechnet im Monat der Bundestagswahl seien sachpolitische Themen weitgehend ignoriert worden. In der Woche unmittelbar vor der Wahl am 22. September habe der Wähler kaum Informationen über Arbeitsmarkt, Bildungs- oder Gesundheitspolitik bekommen.

"Eine auffällige Kehrtwende in der Beurteilung des Kanzlers"

Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern stellten die Medienforscher zudem kurz vor der Bundestagswahl "eine auffällige Kehrtwende in der Beurteilung des Kanzlers" fest, die mit dem Auftreten von Gerhard Schröder bei der Elbe-Flut zusammenhänge. "Der gleiche Mann, dem in den Monaten zuvor Missmanagement bei den nationalen Fragen wie Arbeitsmarkt, Bildung oder Steuern nachgewiesen wurde, wurde schlagartig positiv dargestellt."

Die neuen Bundesländer standen während der Elbe-Flut "unverhofft im Mittelpunkt des veröffentlichten Interesses", resümiert Medien Tenor. Während der Osten in der Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Sender normalerweise mit 10 bis 15 Prozent im Vergleich zu den alten Bundesländern deutlich unterrepräsentiert sei, schnellte die Berichterstattung nach Ansicht der Medienforscher im Monat des Elbe-Hochwassers auf über 50 Prozent hoch. Danach sei der Wert im September und Oktober wieder auf das alte Niveau gesunken. (APA/dpa)