Der letzte Versuch, "die Kämpfe in Österreich im Juli 1934" darzustellen, ist fast 20 Jahre alt: Wolfgang Etschmann hat in seiner Darstellung in der militärhistorischen Schriftenreihe allerdings vor allem den militärischen Aspekt des NS-Aufstands und seiner Niederschlagung durch Bundesheer und Exekutive im Auge. Sonst lag das Augenmerk der Forschung überhaupt nur auf dem SS-Putsch, der Bundeskanzler Engelbert Dollfuß das Leben kostete, politisch und militärtaktisch aber innerhalb von Stunden scheiterte. "Zu vieles wurde später überlagert, zu stark waren die Einzelinteressen an persönlicher und kollektiver Rechtfertigung, Vertuschung oder Glorifizierung", schreibt Kurt Bauer in seinem Buch über das "Elementar-Ereignis".

"Elementar-Ereignis" - das war der Code, mit dem die NS-Führung das Losschlagen in der österreichischen Provinz befahl. Bauer erhellt, wie das gelaufen ist: Er zeichnet den von der illegalen SA getragenen Aufstand in den Bundesländern nach. Und belegt, dass die österreichischen Nazis zwar an der Basis mit einigem Geschick (und teilweise brutalster Entschlossenheit) vorgegangen sind, dass die Führung aber versagt hat.

"Letzten Endes unerklärlich ist das ungleichzeitige Losschlagen in einzelnen Bundesländern - ein Faktum, das wie kein anderes die Unentschlossenheit, Entscheidungsschwäche, Lähmung und innere Zerstrittenheit der obersten Führung der österreichischen NSDAP zeigt", schreibt Bauer. Er erklärt aber das, was erklärt werden kann: Wer die Leute waren, die sich der illegalen SA angeschlossen haben; wobei unzählige Dokumente auch die Motive verständlich machen, warum Burschen aus einem gewissen Milieu Nazis wurden.

(Conrad Seidl, DER STANDARD, Print, 05.12.2003)