Paris/Nancy - Frankreichs Präsident Jacques Chirac ist der Ansicht, dass die EU-Regierungskonferenz "nicht um jeden Preis eine Einigung" in Bezug auf die künftige Verfassung im erweiterten Europa erreichen müsse. Wie eine Sprecherin des Elysee-Palastes mitteilte, erklärte dies Chirac gegenüber dem italienischen Ministerpräsidenten und amtierenden EU-Ratsvorsitzenden Silvio Berlusconi. Die Aussprache fand nach den Angaben am Freitag am Rande des Europa-Nordafrika-Gipfels in Tunis statt.

Berlusconi habe auf die "Fortschritte" in Bezug auf die EU-Verteidigungspolitik und den Status des gemeinsamen Außenministers hingewiesen und betont, dass er die Anzahl der offenen Fragen zu reduzieren versuche, sagte Chiracs Sprecherin Catherine Colonna. Am heftigsten umstritten ist die Frage der Stimmgewichtung, in der sich Frankreich, Deutschland und Italien im Widerspruch zu Spanien und Polen befinden.

Europa kann sich "Pfuscharbeit" nicht leisten

"Für Frankreich wie auch für viele seiner Partner kann dieses Abkommen nicht um jeden Preis erreicht werden", betonte die Sprecherin und fügte hinzu: "Frankreich ist der Ansicht, dass sich das erweiterte Europa nicht ein schlechtes Abkommen oder eine Pfuscharbeit zu 15 oder zu 25 leisten kann. Die Europäer brauchen ein Europa, das funktioniert." Chirac erklärte nach Angaben der Sprecherin weiter, dass sich das Verfassungsprojekt des Reformkonvents auf der Linie der Gründerstaaten befinde, die man zu bewahren trachte.

Raffarin: Im Falle des Scheiterns Schulterschluss mit Deutschland

Der französische Regierungschef Raffarin hat für den Fall eines Scheiterns der EU-Reformen einen Schulterschluss mit Deutschland angekündigt. Sollte es der EU mit demnächst 25 Mitgliedsstaaten nicht gelingen, "operationelle Institutionen" zu schaffen, werden "wir zusammen mit Deutschland ein starkes europäisches Projekt" voranbringen, sagte der rechts-liberale Pariser Premierminister am Freitag in der ostfranzösischen Stadt Nancy.

Die EU brauche starke Institutionen, fügte er hinzu. Zugleich äußerte er die Hoffnung, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU beim anstehenden Gipfeltreffen in Brüssel auf einen Verfassungstext einigen. Raffarin nahm mit dem bayerischen Ministerprädidenten Edmund Stoiber (CSU) an einem Seminar für deutsche und französische Beamte teil, die von der Hochschule für Politische Wissenschaft in Nancy organisiert wurde.

Der CSU-Politiker unterstrich mit Blick auf die Herausforderungen der Globalisierung die Notwendigkeit von Reformen. Dazu gehörten die Modernisierung der Verwaltung und vor allem ein Abbau der staatlichen Aufgaben. (APA)