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Mit Spannung wird in der Schweiz erwartet, ob der umstrittene Rechtspopulist Christoph Blocher seine Karriere mit dem Sprung ins Bundesratsamt krönen kann.

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Zieht der umstrittene Rechtspopulist Christoph Blocher (63) in die Schweizer Regierung ein? Diese Frage steht bei der mit Spannung erwarteten Wahl des Bundesrates (Regierung) in Bern im Zentrum des Interesses. Bis Dienstagabend war noch nicht klar, ob Blocher, der Spitzenkandidat der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), seine Karriere mit dem Sprung ins Bundesratsamt würde krönen können.

Zu Beginn der Sitzung verabschiedete Nationalratspräsident Max Binder das scheidende Bundesratsmitglied Finanzminister Kaspar Villiger, der 14 Jahre der Regierung angehört hatte. Villiger hat sich in seiner Abschiedsrede implizit für die Wahl von Christoph Blocher in den Bundesrat ausgesprochen. Die wichtigsten Kräfte müssten eingebunden werden, sagte Villiger. Wenn eine bedeutende politische Kraft ihr parlamentarisches Oppositionspotenzial mit effizienter Referendumsfähigkeit verbinde, könne sie das Land blockieren, warnte Villiger. "Das bedeutet Rückschritt". Deshalb habe die Schweiz in der Vergangenheit solche Kräfte immer wieder in die Regierungsverantwortung eingebunden.

"Zauberformel" nicht mehr haltbar

Blochers SVP hat bei den Parlamentswahlen vom 19. Oktober am meisten Stimmen geholt. Auch Sozialdemokraten und Grüne legten zu. Die Parteien der bürgerlichen Mitte, die liberale FDP und die christdemokratische CVP, haben demgegenüber erneut Sitze verloren. Deshalb ist die seit über 40 Jahren geltende "Zauberformel" für die Sitzverteilung in der Regierung nicht mehr haltbar: Bisher waren die großen Parteien entsprechend ihrer Stärke in der Regierung vertreten, also je zwei Vertreter von CVP, FDP und Sozialdemokraten sowie ein SVP-Politiker. Nun fordert die SVP für ihren Spitzenkandidaten Blocher ultimativ einen zweiten Sitz auf Kosten der CVP.

Zwar ist in der Tat der Anspruch der SVP auf einen zweiten Regierungssitz rein rechnerisch unstrittig. Doch viele Parlamentarier und auch eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung stoßen sich an der Person: "Keine Stimme für Blocher" ist das Motto von SP und Grünen. Sie trauen es dem oftmals polemischen und polarisierenden Politiker, der immer wieder über die seiner Meinung nach verderbte "classe politique" höhnt, der als notorischer "Neinsager" bekannt ist und der oftmals leidenschaftlich gegen Konsensbeschlüsse von Regierung und Parlament ins Feld zieht, nicht zu, dass er sich in eine Kollegialregierung nach Schweizer Muster einbinden lässt. Ein Karikaturist zeichnete denn auch das Bild eines Bundesrates Blocher, der in der Regierungssitzung aufzeigt und sagt: "Ich bin komplett gegen das, was ich soeben vorgeschlagen habe."

Und eine andere Karikatur zeigt den frischgewählten Bundesrat Blocher, der bei der Vereidigungszeremonie auf die Frage, ob er das Amt annehmen will, mit "Nein" antwortet; Untertitel: "Blocher bleibt sich selber treu."

"Verantwortung übernehmen"

Es gibt aber auch in allen politischen Lagern Stimmen, die eine Wahl Blochers in den Bundesrat gutheißen, weil der Oppositionelle damit in die Regierungspolitik eingebunden würde und Verantwortung übernehmen müsste. Zuständig für die Wahl der aus sieben Mitgliedern (Bundesräte) bestehende Regierung ist das Parlament. Die im Oktober neu gewählten Kammern des Schweizer Parlaments, Nationalrat und Ständerat treten zu diesem Zweck als Vereinigte Bundesversammlung zusammen.

Hier werden neben den SVP-Abgeordneten auch der größte Teil der FDP und etliche CVP-Parlamentarier für Blocher stimmen. Falls Blocher in den Bundesrat einziehen sollte, dann am ehesten auf Kosten von Justizministerin Ruth Metzler (39) oder von Volkswirtschaftsminister Joseph Deiss (beide CVP). Sollte sein Angriff auf die beiden CVP-Sitze scheitern, will Blocher gegen die sozialdemokratische Außenministerin Micheline Calmy-Rey antreten. (DER STANDARD, Printausgabe, 10.12.2003/APA/sda/red)