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Rechtspopulist Christoph Blocher (Bild) überflügelte bei den Bundesratswahlen die Christdemokratin Ruth Metzler und zieht damit in die Schweizer Regierung ein.

Foto: EPA/LUKAS LEHMANN
Nach einer Kampfabstimmung im Schweizer Parlament zog der Rechtspopulist Christoph Blocher in die Berner Regierung ein. Damit erfuhr die eidgenössische "Zauberformel" erstmals seit über 40 Jahren eine Veränderung.

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In der Schweizer Regierung kommt es zu einem klaren Rechtsruck. Das Parlament in Bern hat den umstrittenen Rechtspopulisten Christoph Blocher und den am rechten Rand der liberalen FDP politisierenden Hans-Rudolf Merz neu in die Regierung gewählt. Blocher, der Spitzenkandidat der konservativen Volkspartei SVP, setzte sich in einer Kampfabstimmung knapp gegen die christdemokratische Justizministerin Ruth Metzler durch; Merz siegte in der Wahl um die Nachfolge des zurücktretenden Finanzministers Kaspar Villiger gegen seine gemäßigten Parteikollegin Christine Beerli.

Ohrfeige für Linke

Dass sowohl Blocher als auch Merz gewählt wurden, ist eine Überraschung - und eine doppelte Ohrfeige für das links-grüne Lager. Im Allgemeinen war erwartet worden, dass das Parlament, wenn es denn schon für Blocher stimmen würde, auf der andern Seite als Konzession an die Linke nicht auch noch einen zweiten Rechtsbürgerlichen wie Hans-Rudolf Merz in den Bundesrat wählen würde. Damit wäre das Wahlresultat vom 19. Oktober besser widerspiegelt worden, da damals nicht nur die SVP, sondern auch die Linken und Grünen Stimmen und Sitze hinzugewonnen hatten.

"Zauberformel"

Nun ist die seit über 40 Jahren geltende "Zauberformel" für die parteipolitische Zusammensetzung der Regierung zwar erstmals verändert und an die neuen Realitäten im Parlament angepasst worden, indem die SVP auf Kosten der CVP einen zweiten Sitz im siebenköpfigen Bundesrat errungen hat; doch der Rechtsruck entspricht nicht dem Wählerwillen. Hinzu kommt, dass eine jüngere Frau durch einen älteren Mann ersetzt wird - Metzler ist 39, Blocher 63 Jahre alt. Vor dem Bundeshaus kam es denn auch beim Bekanntwerden des Resultats zu einer spontanen Gegenkundgebung, an der viele jüngere Frauen und Männer teilnahmen, und für den Abend wurde in Bern und Zürich zu Demonstrationen aufgerufen. "Das ist ein Rückschritt ins 19. Jahrhundert", sagte eine Demonstrantin.

In Verantwortung

Mit der Wahl zum Bundesrat muss Blocher, der bisher als knallharter Oppositionspolitiker am rechten Rand des politischen Spektrums tätig war, erstmals Regierungsverantwortung übernehmen. Bisher war Blochers SVP zwar mit Verteidigungsminister Samuel Schmid bereits in der Regierung vertreten, doch spielte sie immer ein Doppelspiel als Regierungs- und Oppositionspartei und lehnte missliebige Regierungsvorlagen ab. So fuhr sie zwar immer wieder Abstimmungsniederlagen ein (Nein zum Schweizer UNO-Beitritt oder zu den Blauhelm-Einsätzen der Armee), doch konnte sie ihren Wähleranteil kontinuierlich auf nun 27 Prozent ausbauen.

Indem das Parlament Blocher nun gewählt hat (im entscheidenden Wahlgang erzielte er 121 Stimmen, Ruth Metzler deren 116), wird seine Partei stärker in die Regierung eingebunden.

CVP-Parteichef Philipp Stähelin bedauerte die Abwahl einer "fähigen und bewährten Bundesrätin" wie Ruth Metzler. Damit habe das Parlament mit einer guten Tradition gebrochen.

Demonstrationen gegen Rechtsrutsch

In mehreren Schweizer Großstädten haben Demonstranten am Mittwochabend gegen den Rechtsrutsch und den gesunkenen Frauenanteil in der Schweizer Regierung protestiert. Mindestens 2.500 Menschen gingen in Bern, Zürich und Genf auf die Straße. Im Zentrum der Kritik stand der Einzug des Rechtspopulisten Christoph Blocher ins Kabinett.

In Bern forderten am Nachmittag rund 500 Demonstranten beim Bundeshaus "weniger Blocher und mehr Frauen" in der Regierung. Parlamentarier der EU-feindlichen Schweizer Volkspartei (SVP) wurden mit Buhrufen und Pfiffen empfangen. Am Abend versammelten sich rund 1.500 Demonstranten vor der Berner Heiliggeistkirche, um mit Fackeln durch die Innenstadt zu ziehen.

Im Zentrum von Zürich nahmen nach Polizeiangaben rund 1.000 Menschen an einer Protestaktion teil. Die Demonstration "Gegen die Ausgrenzung von Frauen und den Rechtsrutsch der Landesregierung" war von einem am Mittag gebildeten Ad-hoc-Komitee organisiert worden, an dem sich Studierende der Universität Zürich, Gewerkschaften sowie die Sozialdemokraten und die Grünen beteiligten. In einem Kommunique hieß es unter anderem, Blocher habe sich mit wiederholten rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen sowie seiner Hetze gegen Scheininvalide und Scheinasylanten für ein Amt in der Regierung disqualifiziert.

In Genf fanden sich auf der Place Neuve laut Polizeiangaben etwa 200 Demonstranten ein. Sie zogen zum Sitz der SVP und skandierten dort Parolen gegen Blocher. (APA/DER STANDARD, Printausgabe, 11.12.2003)