Es dürfte das teuerste Interview sein, das ein deutscher Vorstandsvorsitzender jemals gegeben hat. Der Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, hatte sich im Februar 2002 in einem TV-Interview sehr freimütig über die prekäre Finanzlage des deutschen Medienunternehmers Leo Kirch geäußert. "Was man alles lesen und hören kann, ist ja, dass der Finanzsektor nicht bereit ist, auf unveränderter Basis noch weitere Fremd-oder sogar Eigenmittel zur Verfügung zu stellen", hatte der heutige Aufsichtsratsvorsitzende gesagt. Zwei Monate später meldete Kirchs Imperium Insolvenz an.

Das Münchner Oberlandesgericht sprach Kirch am Mittwoch Schadenersatz zu. Die Bank sei zur Verschwiegenheit verpflichtet und müsse sich die Äußerungen ihres früheren Vorstandschefs zurechnen lassen, erklärte das Oberlandesgericht München. Dabei spiele es keine Rolle, ob es sich um Tatsachen oder eine Wertung handele. Die Klage gegen Breuer persönlich wurde jedoch abgewiesen. Eine Revision seitens des Kreditinstitutes ließ das Gericht nicht zu. Allerdings kann die Bank innerhalb von drei Monaten Beschwerde einlegen.

Höhe des Schadenersatzes muss erst entschieden werden

Über die Höhe des Schadenersatzes muss erst in einem getrennten Verfahren entschieden werden. Nach Einschätzung von Kirchs Anwalt, dem CSU-Politiker Peter Gauweiler, beläuft sich die Schadenssumme auf einen Millionenbetrag. Der Streitwert beträgt laut Gauweiler hundert Millionen Euro. Die Vorinstanz hatte im Frühjahr Kirch "in vollem Umfang" Recht gegeben.

Breuer hatte sich vor Gericht damit verteidigt, dass er über keinerlei Interna der Bonität Kirchs verfüge und sich lediglich auf allgemein erhältliche Informationen aus der Presse gestützt habe. Kirch stand bei der Deutschen Bank mit über 700 Millionen Euro in der Kreide.

Breuer ist nicht der einzige Deutsche-Bank-Mitarbeiter, der mit dem Gericht zu tun hat. Der jetzige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann muss sich in Zusammenhang mit überhöhten Abfertigungszahlungen beim Mobilfunkunternehmen Mannesmann ab 21. Jänner wegen Untreue vor Gericht verantworten. (Alexandra Föderl-Schmid/DER STANDARD; Printausgabe, 11.12.2003)