Videostill aus "notes on film 01 else"

Foto: Sixpack
Am Anfang war der Cyber-Punk-Film. Menschen verbanden sich darin über ein neuronales Interface mit einem Computer, der Hauptdarsteller war ein Cyberjunkie, Realität und Fiktion verschwammen, und am Ende verlor auch der Film sein eindeutiges Gesicht: Er war ein Patchwork aus Video, Film und Computeranimation.

Das war Mitte der Neunziger, Norbert Pfaffenbichler studierte noch bei Peter Weibel an der Wiener Angewandten, und in seinem ersten Film, dem er den Namen Wirehead gab, verwendete er so ungefähr alles, was er während seiner Studienzeit gelernt hatte. Daraufhin konnten die Konzepte nur mehr einfacher werden.

Mittlerweile ist Norbert Pfaffenbichler einer der Protagonisten einer abstrakten Medienkunst, die sich über die Jahre im Umfeld der Wiener Elektronikszene etablierte und die, anders als die Musikerkollegen, kaum je im Rampenlicht stand. Erst durch eine eigene Schiene auf der Diagonale (Austrian Abstracts) und durch die vom Wiener Künstlerhaus in diesem Spätsommer ausgerichtete und von Pfaffenbichler kuratierte Ausstellung "Abstraction Now" sollte sich dies ein wenig ändern.

"Unsere Szene ist nicht institutionalisiert, in keinster Weise," sagt Pfaffenbichler, während er in seinem Arbeitsloft im 15. Wiener Gemeindebezirk auf seinem Retro-Designsessel ein bisschen nervös hin und her rutscht. Fotografiert zu werden, Interviews zu geben, das ist eine Rolle, an die sich der ganz in Schwarz gekleidete Künstler noch gewöhnen muss.

"Ich habe erst relativ spät angefangen, das zu machen, was ich heute mache", fängt Pfaffenbichler an zu erzählen. "Vielleicht interessieren mich gerade deswegen im Besonderen die technischen Grundlagen." Nicht, dass er ein Technikfreak wäre, nicht, dass er die verschiedenen Programmiersprachen aus dem Effeff beherrschen würde. Pfaffenbichler arbeitet mit den Programmen, die man als User vorgesetzt bekommt, indem er einzelne Parameter herauspickt und sie neu zusammenstückelt. "Alles, was der Computer macht, ist natürlich nicht gottgegeben; wie die einzelnen Bausteine zusammengesetzt werden, das reflektiere ich. Das ist meine künstlerische Arbeit."

Zum Beispiel "36": Diese Arbeit bezeichnet Pfaffenbichler selbst als seine konsequenteste. Form, Fläche, Farbe und Zeit, das sind die vier Elemente, die in dieser, zwei Minuten langen Video- bzw. Animationsarbeit zur Musik von Stefan Németh zueinander in Verbindung gesetzt werden. Links bewegen sich 36 horizontale und vertikale weiße Linien, rechts mischen sich Farben und erzeugen immer neue Farbtöne. Ein sich von links nach rechts bewegendes Viereck verdeutlicht am unteren Bildrand die Zeitachse: eine streng mathematisch-grafische Komposition, basierend auf der titelgebenden Zahl, realisiert zusammen mit Freundin Lotte Schreiber.

"Technisch sind meine Arbeiten gar nicht so kompliziert, wie sie vielleicht manchmal aussehen," beschwichtigt Pfaffenbichler. Seine Hauptarbeitswerkzeuge sind der Macromedia Director, das Schnittsystem und das After-Effects-Programm. Der Rest ist eine streng konzeptionelle Herangehensweise, die "je einfacher und konsequenter, desto gelungener" ist. Genau aus diesen Gründen hält Pfaffenbichler eine Arbeit wie "notes on film 01 else" auch für "gescheitert", obwohl er damit zu den Filmfestspielen in Venedig eingeladen wurde.

Eine stumme "Fräulein Else"-Verfilmung aus dem Jahre 1928 gab den Ausschlag: Auf fünf Videofenstern wird das Porträt einer jungen Frau mit Hilfe dreier Kameras variiert. "Das Strukturprinzip ist der Kanon, aber das war am Ende leider kaum mehr zu verstehen," bemerkt Pfaffenbichler kritisch und erzählt dann von der für das Künstlerhaus konzipierten Installation "notes on color", für die er vier Animations-Kästen und vier Licht-Kästen gegenüber in einen Raum hing: "Ich habe mit der Standard-Palette von 256 Farben gespielt, das war gut."

Die Musik zu "else" komponierte Wolfgang Frisch von den Sofa Surfers, und genau dieses Zusammenspiel von Bild und Ton ist es, was Pfaffenbichler oft am meisten Kopfzerbrechen macht. Beim Videoclip für Christian Fennesz' Nummer "santora" lief die Musik nebenher, bei jenem für "traxdata" versuchte er, eine möglichst genaue Übereinstimmung von Musik und Bild zu erreichen: "Die Visualisierung von Musik ist einer der Schwerpunkte meiner Kunst." Einer Kunst, von der Pfaffenbichler aber nicht leben kann.

Selten werden Arbeiten abgegolten, viele entstehen im und für den Freundeskreis. "Wir sind eine große Familie. Viele von uns würden sich weigern, Subventionen anzunehmen. Wir haben ein anderes Selbstverständnis." Froh ist Pfaffenbichler allerdings trotzdem, dass mit der (im Übrigen hervorragend rezipierten) Künstlerhaus-Ausstellung sich auch finanziell etwas getan hat: "Durch die Diagonale und die Ausstellung haben wir mehr Selbstbewusstsein bekommen."

Galeristen hat Norbert Pfaffenbichler keinen, seine Basis ist das Loft in Wien 15, das er zusammen mit seinen "vidok"-Freunden vor ein paar Jahren gemietet und umgebaut hat: "Wir arbeiten eher lose zusammen, manche machen künstlerische Projekte, andere kommerzielle wie Webdesign oder diverse Film-Geschichten." Bei größeren Aufträgen arbeitet man zusammen, aber dann geht eben jeder auch wieder eigene Wege. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2003)