Frankfurt/Main - Die Vereinigung Kalifatstaat des Kölner Islamistenführers Metin Kaplan beschäftigt die deutsche Justiz seit mehreren Jahren. Die beispiellose Großrazzia am Donnerstag war der jüngste Höhepunkt einer Serie von Maßnahmen gegen die Organisation, die Innenminister Otto Schily im Dezember 2001 verboten hatte, weil sie sich in kämpferisch-aggressiver Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik richte, insbesondere gegen das Demokratie- und das Rechtsstaatsprinzip.

25. März 1999: Der selbst ernannte "Kalif von Köln", Metin Kaplan, wird verhaftet. Dem damals 46-jährigen Türken wird vorgeworfen, innerhalb des fundamentalistischen Verbandes Kalifatstaat eine terroristische Vereinigung aufgebaut zu haben, um Abweichler auszuschalten und Anhänger in der Türkei zu Anschlägen anzustiften.

16. Juni: Das Kölner Amtsgericht verurteilt Kaplan wegen judenfeindlicher Äußerungen zu einer Geldstrafe von 1.200 Mark (614 Euro).

30. Juni: Nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs muss Kaplan weiter in Haft bleiben. Die Richter stützen aber erstmals den Haftbefehl nicht auf den Vorwurf der Bildung einer terroristischen Vereinigung, sondern legen dem 46-jährigen Türken weiterhin öffentliche Aufrufe zu Straftaten zur Last. Kaplan soll zum Mord an einem Konkurrenten aufgerufen haben. Außerdem wird Fluchtgefahr bejaht.

21. September: Generalbundesanwalt Kay Nehm erhebt vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf Anklage gegen Kaplan wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung und öffentlichen Aufrufs zu Straftaten.

8. Februar 2000: Begleitet von heftigen Tumulten beginnt im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf der Prozess gegen den "Kalifen von Köln".

15. November: Das Oberlandesgerichts Düsseldorf verurteilt Kaplan zu vier Jahren Haft. Die von Generalbundesanwalt Kay Nehm beantragte zusätzliche Verurteilung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung lehnt das OLG ab.

25. Oktober: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe verwirft die Revision Kaplans gegen das vom OLG Düsseldorf verhängte Strafmaß von vier Jahren Haft als unbegründet.

9. November 2001: Der Bundestag beschließt die ersten Anti-Terror-Gesetze. Das Parlament stimmt unter anderem der Streichung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsrecht zu.

21. November: Die Stadt Köln erlässt eine Ausweisungsverfügung gegen Kaplan.

22. November: Das Düsseldorfer Oberlandesgericht entscheidet, die Reststrafe Kaplans nicht zur Bewährung auszusetzen.

12. Dezember: Bundesinnenminister Otto Schily verbietet den Verband des so genannten "Kalifen von Köln". Betroffen sind außerdem 19 Teilorganisationen des "Kalifatstaats" und die Stiftung "Diener des Islam".

7. Februar 2002: Der Islamistenführer klagt vor dem Bundesverwaltungsgericht gegen das Verbot seiner Organisation "Kalifatstaat".

31. Mai: Das Oberlandesgericht Düsseldorf lehnt den Antrag Kaplans auf vorzeitige Haftentlassung ab.

1. Juni: Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz erneut gegen die im Dezember verbotene islamistische Vereinigung "Kalifatstaat".

11. Juli: Der Bundesgerichtshof bestätigt die Entscheidung des OLG, die übliche Aussetzung der Reststrafe zur Bewährung im Fall Kaplan wegen ungünstiger Täterprognose zu verweigern.

August: Die Türkei verlangt die Auslieferung Kaplans. Dem "Kalifen von Köln" wird Hochverrat vorgeworfen. Die Bundesregierung hatte bereits zuvor erwogen, Kaplan nach seiner Entlassung aus der Strafhaft im März kommenden Jahres in die Türkei abzuschieben.

19. September: Schily verbietet weitere 16 Teilorganisationen des verbotenen islamistischen Verbundes "Kalifatstaat". Gegen zwei weitere Organisationen werden vereinsrechtliche Ermittlungen aufgenommen. Anschließend durchsucht die Polizei bei einer Großrazzia in fünf Bundesländern 108 Vereinslokale, Moscheen und Wohnungen.

27. November: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bestätigt das Kalifatstaat-Verbot. Auch Klagen dreier weiterer islamischer Vereine gegen ihre Einbeziehung als Teilorganisationen des Kalifatstaates in das Verbot werden abgewiesen.

14. Jänner 2003: Das Düsseldorfer Oberlandesgericht ordnet einen Auslieferungs-Haftbefehl gegen Kaplan an. Dem Auslieferungsgesuch der Türkei wird damit jedoch noch nicht stattgegeben. Kaplan hat seine Strafe Ende März abgesessen. Auf Grund des erlassenen Haftbefehls kann er auch danach weiter in Gewahrsam behalten werden.

15. Jänner: Schily untersagt alle Aktivitäten der Hizb ut-Tahrir in Deutschland. Die Türkei beantragt die Überstellung des Führers des inzwischen verbotenen islamistischen "Kalifatstaates".

24. März: Kaplan bleibt weiter in Haft. Das OLG ordnet eine fünfjährige Führungsaufsicht für die Zeit nach seiner Haftentlassung an.

27. Mai: Das Düsseldorfer Oberlandesgerichts ordnet die Entlassung des mittlerweile 50-Jährigen aus der Auslieferungshaft an und hebt den dafür gültigen Haftbefehl auf. Das Gericht befindet, dass die von der Türkei beantragte Auslieferung Kaplans unzulässig ist.

30. Mai: Die Stadt Köln erlässt für den verschwundenen Islamistenführer ein Reiseverbot bis September.

16. Juni: Kaplan reicht Klage gegen die von der Stadt Köln angeordnete sofortige Vollziehung einer Ausweisungsverfügung ein.

27. August: Nach einer Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts verliert Kaplan seinen Status als anerkannter Asylbewerber, darf aber dennoch in Deutschland bleiben.

26. September: Die Türkei versichert Schily fairen Prozess gegen Kaplan.

17. Oktober: Die Vereinigung Kalifatstaat bleibt verboten. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstößt das von Bundesinnenminister Schily ausgesprochene Verbot nicht gegen das Grundrecht der Religionsfreiheit.

4. Dezember: Die Aberkennung des Asylrechts Kaplans ist rechtskräftig. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster weist letztinstanzlich den Berufungsantrag zurück.

11. Dezember: In einer Großrazzia werden in Deutschland rund 1.150 Wohnungen von mutmaßlichen Mitgliedern der verbotenen islamistischen Organisation Kalifatstaat durchsucht. (APA/AP)