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Präsident Chavez (hier beim Besuch einer Militärbasis in Lara) warf der Opposition in seiner Fernsehsendung "Alo Presidente" vor, tausende Unterschriften von "Ausländern, Minderjährigen und Toten" gesammelt zu haben.

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Josef Pernerstorfer war von 1986 bis 94 Österreichs Entwicklungsattaché in Nicaragua

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Caracas/Wien – Die Unterschriftensammlung, mit der Venezuelas Opposition ein Referendum zur Absetzung des linksnationalistischen Präsidenten Hugo Chávez erreichen will, sei "nicht völlig irregulär" verlaufen, sagt der österreichische Wahlbeobachter Josef Pernerstorfer. Diese Einschätzung kommt überraschend, weil Pernerstorfer einer von Venezuelas Regierung eingeladenen 17-köpfigen Beobachterdelegation angehörte und er für das soziale Umverteilungsprojekt des bei der Opposition verhassten Präsidenten durchaus Sympathien hat.

Überprüfung dauert noch Wochen

Die letzten Unterschriftslisten der am 1. Dezember beendeten Sammlung sind aus entlegenen Landesteilen erst dieser Tage beim Nationalen Wahlrat in Caracas eingetroffen. Obwohl die Überprüfung durch den überparteilichen Wahlrat noch Wochen dauern wird, haben sich beide Streitteile bereits einzementiert:

Die Opposition behauptet, 3,6 Millionen Unterschriften gegen Chavez gesammelt zu haben – weit mehr als die erforderlichen 2,4 Miollionen (20 Prozent der Wahlberechtigten).

"Riesenschwindel"

Präsident Chávez bezeichnet die Aktion dagegen als "Riesenschwindel", bei dem Unterschriften gefälscht worden seien und auch Tote abgestimmt hätten.

Ein Sprecher des Wahlrates sagte dazu, dass sich auch Chávez an ihre Entscheidung zu halten habe, ob über ihn ein Referendum (frühestens im April 2004) abgehalten wird.

Für ein Land, das vor einem Jahr am Randes des Bürgerkriegs stand, war die Entwicklung der letzten Wochen jedenfalls bemerkenswert.

Ende November konnten Pernerstorfer und die übrigen internationalen Beobachter verfolgen, wie eine erste Unterschriftensammlung (über die Abberufung von 37 Abgeordneten) in völliger Ruhe verlief. Als es dann um den Präsidenten ging, hätte es an den Wahltischen (unter freiem Himmel) zwar "hitzige Schreiduelle, aber keine tätlichen Auseinandersetzungen" gegeben. Es hätten sich aber Wahlhelfer und nicht autorisierte "Berater" in den Vorgang eingemischt.

Die Opposition habe eigene Unterschriftsbestätigungen (wohl zur Vorlage bei Arbeitgebern) ausgegeben. Dennoch kamen diese (und andere) Beobachter nicht zu dem Schluss, dass das ganze Verfahren irregulär gewesen sei.

Landreform

Positiv erscheint dem 72-jährigen Agrarexperten Pernerstorfer (1986–94 Österreichs Entwicklungsattaché in Nicaragua) am Projekt von Chávez, den Ölreichtum Venezuelas durch Alphabetisierung und Landreform endlich auch den Armen zugute kommen zu lassen. Bis Jahresende sollen zwei Millionen Hektar an Staatsland verteilt werden.

Deshalb könne ein Referendum für Chávez, der unter den Millionen Armen noch viele Anhänger habe, durchaus auch positiv ausgehen. (Erhard Stackl/DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2003)