Wien - Fast schien es, als könnte Österreichs Buchhandel nach Jahren existenzieller Verunsicherung aufatmen: Die Buchpreisbindung ist fürs erste gesichert, und selbst das rezessionsbedingte Einnahmeloch dieses Jahres kraft Potterscher Magie gestopft.

Doch schon droht wieder ernste Gefahr - diesmal aus Karl-Heinz Grassers Finanzministerium. Genauer: durch die von Grasser ins Leben gerufene BBG, die Bundesbeschaffungsgesellschaft. Deren Aufgabe ist die Rationalisierung der Einkäufe des Staates. Und deren Verbilligung.

Zu den Einkäufen der Bundesinstitutionen zählen auch Bücher. Bisher war es üblich, dass jede Institution ihre Buchkäufe über einen nahe gelegenen Buchhändler erledigte - zu dem gesetzlich geregelten Maximalrabatt von fünf Prozent. Für viele Buchhandlungen, zumal in umsatzschwachen Gebieten in den Bundesländern, stellen solche Aufträge bis zu dreißig Prozent ihres Jahresumsatzes dar.

Dieser nun soll ihnen, geht es nach der BBG, restlos verloren gehen. Die BBG nämlich hat konkrete Schritte gesetzt, damit sämtliche Bucheinkäufe der staatlichen Institutionen bundesweit über einen einzigen Buchhändler laufen.

Nur Großbuchhändler

Eine erste Ausschreibung im Sommer schloss zudem fast alle Sortimenter des Landes von der Bewerbung aus: Bewerben durfte sich nur, wer 40 Angestellte vorweisen konnte und drei Jahre lang einen durchschnittlichen Umsatz von acht Millionen Euro erwirtschaftet hatte.

Vorgaben, die auf die großen Filialisten zugeschnitten waren. Zwar wurde, nach Protest des Hauptverbandes des österreichischen Buchhandels, die Zahl der Angestellten von 40 auf 15 reduziert. Für den durchschnittlichen österreichischen Buchhändler, der mit zwei Angestellten auf rund 300.000 Euro Jahresumsatz kommt, sprechen die Bedingungen dennoch Hohn.

Wenn die Angebotsfrist nun am kommenden Montag, dem 15. Dezember, endet, werden es also wenige sein, die sich bewerben. Den Zuschlag soll das Bestangebot erhalten - was heißt: Wer einen Rabatt zusagt, der über jenen fünf Prozent liegt, die die staatliche Buchpreisbindung erlaubt.

Gehen die Buchhändler das Risiko des Gesetzesbruchs nicht ein und bieten allesamt nur die erlaubten fünf Prozent Rabatt, gewinnt die BBG mit ihrer Ausschreibung weniger als nichts: eine Umstrukturierung des Bucheinkaufs bedeutet in diesem Fall nur einen enormen organisatorischen Mehraufwand, also Zusatzkosten statt Verbilligung. - Wenn etwa das Bezirksgericht Scheibbs nicht länger in der benachbarten Buchhandlung ordert, sondern seine juristische Fachliteratur umständlich in Wien bestellen muss und per Post von dort geliefert erhält. In diesem Fall würde die BBG die Ausschreibung gemäß dem Motto "außer Spesen nix gewesen" wohl widerrufen.

Unterläuft aber ein Großbuchhändler, gelockt von der Aussicht auf den potenten Kunden Staat, das offizielle Rabattabkommen und bietet beispielsweise sieben Prozent Mischrabatt auf alle Bücher und Zeitschriften, stellt sich die Frage nach der Vereinbarkeit mit der Buchpreisbindung. Ruft der Staat, um selbst billiger einkaufen zu können, zum Gesetzesbruch auf? Nach Meinung von Kornel Kossuth, Rechtsanwalt des Hauptverbandes, verletzt der angestrebte Vertrag mit dem Bund ganz klar das Buchpreisbindungsgesetz. Weshalb er in diesem Fall auf Verstoß gegen das Gesetz für unlauteren Wettbewerb klagen will.

Grassers BBG hingegen beruft sich auf ein Gutachten, dem zufolge eine Mischkalkulation zulässig ist, sogar eine Lieferung von Büchern zu einem Rabatt über fünf Prozent, solange im Jahresrückblick rein rechnerisch im Durchschnitt kein Rabatt von über fünf Prozent gewährt wurde.

Für Österreichs Buchhandel könnte das BBG-Begehren in jedem Fall eine echte Katastrophe bedeuten. Zumal wenn die Universitäten, zu drakonischem Sparen gezwungen, im kommenden Jahr auch über die Bundesgesellschaft einkaufen sollten. Für ein Gros der bewährten Buchhändler im ganzen Land wäre das der sichere Ruin. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.12.2003)