Israelische Reporter schlossen sich Siedlern bei ihrer Piraten-Olivenernte an und deckten dabei die Machenschaften von Unternehmern auf, die an der "Grünen Linie" arbeiten. Unter anderem werden gestohlene Olivenbäume weiterverkauft. Eine Reportage von Danny Adino Ababa unter Mitarbeit von Meron Rapaport* und Oron Meiri.

Teil 1:

Die beiden Siedlerjungen S. und H. waren noch keine achtzehn, aber sie hatten schon einiges hinter sich. Sie erzählten mir, wie sie israelische Armeewaffen auf Araber-Häuser nahe Sa-nur gefeuert hatten, wie sie mit Steinen nach Olivenerntern nahe der Yitzher-Siedlung geworfen hatten, und wie sie damals im Kampf um den Gil'ad-Außenposten dafür bezahlt wurden, die Siedleraktivistin Daniella Weiss nicht allein zu lassen. Es war simpel, erklärten sie: "Die Araber kommen rauf, um neben einer jüdischen Siedlung Oliven zu ernten, also nimmst du ihnen die Oliven weg. Oder du pflückst sie selbst, oder du zerstörst ihre Bäume. Sobald man ihre Oliven ein oder zweimal pflückt, kommen sie nicht mehr wieder."

In der Woche, in der ich als Pirat in der Westbank Oliven erntete, stieß ich auf viele Dinge, von denen S. und H. nichts erzählt hatten. So fand ich heraus, dass sich auch durchwegs respektable Figuren aus den Reihen der Siedler an den Oliven-Raubzügen in den besetzten Gebieten beteiligten. Ich entdeckte, dass die Leute dafür überall angeheuert wur- den: auf der Straße beim Autostoppen, über das Internet, bei Kursen für neu-konvertierte Juden, in Jeshivas (Studienzentren für Männer). Manche der für die Piratenernte auserkorenen Gebiete wurden sogar von Funktionären - in unmittelbarer Nachbarschaft der Siedlungen - festgelegt.

Ich fand auch heraus, dass der Großteil der Oliven zur Ölpresse im illegalen Außenposten Ahiya gebracht wurde. Doch unter den schockierendsten Entdeckungen dieser Woche war ein von ein paar Siedlern neu entdecktes Business: Sie ernteten die Oliven der Araber und boten sie ihnen dann zum Rückkauf an. Manche drohten den Palästinensern sogar mit der Verwüstung ihrer Bäume im Olivenhain, wenn sie sich weigerten, die "für sie" von den Siedlern geernteten Oliven zurückzukaufen. Ein unwiderstehliches Angebot ...

Während ich das Geschäft der Olivenplünderei im Herzen von Samaria dokumentierte, betrieben Meiron Rapaport und Oron Meiri Recherche zu Olivenbäumen in israelischen Baumschulen. Dort entdeckten sie eine andere Art von Raub, die um nichts weniger abstoßend war. Offenbar hatten Unternehmen, die die "Trennmauer" errichteten, tausende Bäume ausgerissen, die Palästinensern gehörten, deren Land konfisziert worden war. Der Preis eines solchen Baumes betrug zwischen 600 und 25.000 Schekel (ca. 110 und 4.500 Euro). Doch anstatt die Bäume für ihre Besitzer anderenorts wieder einzusetzen (explizite Anweisung des Verteidigungsministeriums), verkauften sie manche an Baumschulen in Israel. Ganze Olivenhaine verschwanden so von der Bildfläche, für die Betrüger waren es hunderttausende leicht verdiente Schekel, alles Cash - ein hübscher Nettogewinn unter dem Patronat der Zivilverwaltung.

Die Olive ist mehr als ein Baum. Für beide, Israelis wie Palästinenser. Es ist kein Zufall, dass der Olivenbaum sowohl das Symbol der Golani-Infanterie-Brigade als auch das des Palästinenserdorfes Zeita ist. Alle verdienen ihren Lebensunterhalt mit dem Baum, und wir schreiben Friedenslieder über die Taube mit dem Olivenzweig. Doch wenn dem Olivenbaum all das in unserem Namen angetan wird - dann sei Gott der Taube gnädig.

Teil 2:

Entwurzelt (von Meron Rapaport und Oron Meiri): Am "Trennzaun" gegenüber dem Kibbuz Magal: Amos, ein Vorarbeiter bei den Gebrüdern Ben Rahamim, präsentiert seiner Kundschaft die Ware: ein Olivenhain, der sich über den Hügel am Rande des Dorfes Zeita erstreckt. Hübsche, alte Bäume, zumindest für die Augen des Laien. Es bleibt nicht viel Zeit, die Bäume zu begutachten. "Sie haben heute früh hier geschossen, von diesem Fenster aus", sagt Amos und zeigt auf das äußerste Haus des Dorfes.

Die "Kunden", zwei Reporter der israelischen Tageszeitung Jedioth Achronoth und ein Pressefotograf, werfen einen raschen Blick auf die Bäume. Sie sehen gut aus, keine ausgedörrten Blätter, ein Zeichen von Gesundheit. Wir bräuchten hundert Stück, erklären wir Amos. "Kein Problem", sagt er, "wir haben so viele Bäume, wie ihr wollt." Wann wir die Bäume haben können? "Wann ihr wollt. Gebt uns Bescheid und wir besorgen sie", antwortet er.

Drei Tage später, nahe dem selben Hügel, treffen wir Ahmad Al Rafiq, einen Bauern aus dem Dorf Zeita. Offenbar gehören die Bäume, die Amos uns so großzügig angeboten hat, Al Rafiq. Tatsächlich ist nicht mehr viel von einem Hügel zu erkennen, ebenso wenig von Bäumen. Alles weg. Einen oder zwei Tage zuvor waren Bulldozer gekommen. Nicht zu reden vom emotionalen und symbolischen Wert des Olivenbaums. (...)

Natürlich geben in vielen Fällen die Bauunternehmen, die den Wall errichten, die Bäume an ihre palästinensischen Besitzer zurück. Bei Arbeiten, die dieser Tage in Falarne und Jayous bei Qualqilia vor sich gehen, geschieht dies. Selbiges war auch anderswo der Fall. Aber oftmals passiert es eben nicht. In Zeita und Qefin nahe Bak'a al Gharbiye, in Jammal nahe Qualqilia, und an vielen anderen Orten erzählten Landbesitzer die gleiche Geschichte: Sie hätten gefragt, was mit ihren ausgerissenen Bäumen geschehe, die Sicherheitskräfte hätten sie nicht in die Nähe der Bäume gelassen, und die Bäume seien auf Laster verladen und weggebracht worden. Wohin? Keiner weiß das, keiner hat es ihnen gesagt.

Stellungnahme des Verteidigungsministeriums: "Als Teil der Infrastrukturarbeiten zur Vorbereitung des Trennungswalls werden Bäume entwurzelt. Vor Beginn wird der Landbesitzer aufgefordert, den Behörden den gewünschten Ort für die Wiedereinpflanzung der Bäume bekannt zu geben. (...) Das Verteidigungsministerium bezahlt die Unternehmen für das Entwurzeln und Wiedereinsetzen der Bäume. Dieser Satz ist offizieller Bestandteil des Vertrags, der mit den Firmen über die Bauarbeiten abgeschlossen wurde. Ganz offensichtlich wurde keine Erlaubnis für den Handel mit Olivenbäumen erteilt. Es versteht sich von selbst, dass das Verteidigungsministerium keine wie auch immer gearteten Geschäfte unterstützen würde, die nicht mit den Gesetzen des Staates Israel im Einklang sind." - Deutsch von Sylvia Maier

* Meron Rapaport wurde für seine Arbeit an der vorliegenden, in der Wochenendbeilage der israelischen Zeitung Jedioth Achronoth veröffentlichten Reportage mit dem diesjährigen europäischen Journalistenpreis Premio Napoli ausgezeichnet. (DER STANDARD, Printausgabe 12.12.2003)