Bis Ende November war die Hofburg-Welt der ÖVP in Ordnung. Obwohl immer wieder Alternativen zu Benita Ferrero-Waldner durch die Kulissen geisterten, sprachen die Beliebtheitswerte für die Außenministerin, deren Erscheinung den Mode- und Anstandswünschen der City- Kaufleute von Wien bis Salzburg und Innsbruck entspricht. Wenn’s nicht kriselt, fühlt man sich in ihrem Lächeln gut aufgehoben.

Nach der TV-"Pressestunde" ging ein Ruck durch die Partei. Ferreros Forderung nach einem (österreichischen) Katastrophenkommissar in der EU ließ massive Befürchtungen aufkommen, die First Lady der Regierung könnte sich im Wahlkampf durch serielle Schnitzer so schaden, dass eine Niederlage gegen den SPÖ-Kandidaten Heinz Fischer unausweichlich wäre.

Die Suche nach Alternativen begann erneut. Nach dem Ausscheiden des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll aus dem Präsidenten-Rennen wurden politisch und publizistisch geradezu nervenzerfetzende Duelle erfunden. Zum Beispiel: Franz Fiedler gegen Fischer oder Karl Korinek gegen Fischer. Erbeben würde das Land ob der Spannung und ob der rhetorischen Eskapaden dieser honorigen Kandidaten.

Deshalb wird in der Volkspartei wieder einmal überlegt, aus dem Wüstenrot der Susanne Riess-Passer ein Alpenglüh’n zu machen und damit noch einmal die schwarz- blaue Wähler- und Skifahrer- Koalition zu entfachen. Wolfgang Schüssel könnte wieder seine Strahlezähne zeigen, und Jörg Haider müsste sie zusammenbeißen. Durchaus möglich wäre, dass sich Alpen-Rote auf die Seite der ehemaligen Vizekanzlerin schlagen würden.

Diese Variante wurde noch wahrscheinlicher, als der Bundeskanzler die Haltung seiner Außenministerin zur EU-Beistandspflicht öffentlich korrigierte. Dafür gibt es zwei mögliche Begründungen. Die erste: Schüssel trägt den Kandidatennamen bereits "in pectore". Es ist nicht Ferrero- Waldner. Die zweite: Er wollte das Image der mutmaßlichen ÖVP-Kandidatin beschädigen, um Fischer gewinnen zu lassen. Auf dass die Österreicher 2006 im Sinne der politischen Balance wieder die Schwarzen kräftigen.

Diese Spekulationen werden erst Mitte Jänner auf den Granit der Nominierungen treffen. Tatsächlich hat die (immer noch wahrscheinliche) Kandidatin Ferrero- Waldner ihr Hofburg-Programm bereits skizziert. Und von Heinz Fischer weiß man, dass er das Amt in der Tradition seiner sozialdemokratischen Vorgänger führen würde. Was die Diplomatin Ferrero-Waldner in der "Pressestunde" mit "sozialer Wärme" meinte, wurde nicht näher illustriert. Das "Kinderlachen in der Hofburg" (Exkandidatin Gertraud Knoll) dürfte sie nicht gemeint haben. Dass sie weder das Jagdhaus in Mürzsteg noch die Residenz in Wien benützen würde, ist verständlich. Erstens, weil man in Baden besser wohnt, und zweitens, weil der Verkauf überhaupt eine gute Idee ist. Was immerhin die Vermutung zulässt: Würde die Frau Außenminister weniger auf den Bundeskanzler hören, könnten ihr noch andere plausible Ideen in den Sinn kommen.

Wer immer Kandidat oder Kandidatin der ÖVP sein wird: Es geht auch um die Aufgabe, in der Volkspartei das geschwundene Vertrauen in das Staatsoberhaupt wieder her^zu^stellen. Zwar hat Thomas Klestil durchaus seinen Anteil an der Krise. Aber im Kampf um die Macht hat Wolfgang Schüssel den Bundespräsidenten ausgespielt und zum Staatsnotar gemacht, der die jeweils neue Regierung beglaubigt. Bei den kleinen ÖVP- Funktionären wird das den Enthusiasmus für das große Ritual in Wien gehörig bremsen. Die SPÖ hingegen, Gegner jeder Beschneidung der Befugnisse des Bundespräsidenten, wird sich ins Zeug legen. Die finanzschwache FPÖ wird Koalitionsdisziplin üben, und die Grünen sparen das Geld für später.

Also werden wir einen recht neutralen Wahlkampf erleben. Die Auftritte werden sich nicht wesentlich von Maiandachten unterscheiden. (DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.12.2003)