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Noch gibt Peter Jackson Autogramme in Sachen "Herr der Ringe". "King Kong" ist aber schon in Vorbereitung.

Foto: APA/EPA/dpa/Alexander Ruesche
Mit "Der Herr der Ringe" revolutionierte der neuseeländische Filmemacher Peter Jackson die Fertigung und den Vertrieb von Kinoepen. Nächste Woche kommt mit "Die Rückkehr des Königs" der Abschluss der Trilogie in die Kinos: Anlass für ein Gespräch mit Bert Rebhandl.


STANDARD: Es war eine lange Reise vom ersten Teil des "Herrn der Ringe" bis zum Abschluss der Trilogie mit "Die Rückkehr des Königs". Der dritte Teil ist mit dreieinhalb Stunden enorm umfangreich, verblüffend sind aber vor allem die immensen Fortschritte im Bereich der Spezialeffekte. Was haben Sie gelernt?

Peter Jackson: Auf einer Ebene sind wir einfach den Büchern von Tolkien gefolgt, die ja immer umfangreicher und umfassender wurden. Da mussten wir mit. Andererseits hat unser Team in Neuseeland unglaublich viel gelernt in dieser Zeit. Die Gefährten hatte ungefähr 500 Einstellungen mit computergrafischen Effekten. Die Rückkehr des Königs hat bereits 1500 F/X-Szenen.

Mir war hauptsächlich daran gelegen, einen größeren Realismus zu erzielen. Wir haben also sehr viel an der Haut und an den Muskeln der Figuren gearbeitet, an den Schattierungen und Texturen der Kreaturen. Häufig sehen diese Gestalten ja nur wie Playstation-Figuren aus, weil das Licht nicht naturalistisch ist.

Gollum war besonders kompliziert im zweiten Teil Die zwei Türme. In Die Rückkehr des Königs haben wir ihn nur noch perfektioniert, indem wir in seinem Gesicht einige Muskeln hinzugefügt und seine Augen verbessert haben. Wir haben ihn überarbeitet, könnte man sagen.

STANDARD: Auf welcher Stufe der Primitivität sehen Sie die Computereffekte zurzeit?

Jackson: Ich glaube, wir haben das Wesentliche geschafft. Im ersten Teil konnten wir Flammen und Feuer im Computer nicht besonders gut herstellen. Wasser war auch ein Problem. Inzwischen ist die Software so weit, dass alles machbar ist. Was von diesem Punkt an geschieht, sind weitere Fortschritte im Richtung Realismus. Es wird schneller und billiger. Die Technologie wird bald auch Low-Budget-Filmen zur Verfügung stehen. Sie wird nicht die Domäne der Hollywood-Blockbuster bleiben. Historische Filme werden enorm davon profitieren. Es ist eine gute Zeit für das Filmemachen.

STANDARD: Wir leben in einer Zeit der Geopolitik, wie schon damals, als J. R. R. Tolkien das Buch schrieb. Wollten Sie den Film deutlich von allen politischen Zeichen freihalten?

Jackson: Ja, darüber kann man endlos reden. Hitler und der Zweite Weltkrieg wird natürlich überall hineingelesen, aber in den Sechzigerjahren wurde auch überall der Vietnamkrieg wahrgenommen. Ich bin überzeugt, dass Tolkien keinen Satz über Politik geschrieben hat. Es ist ein zeitloses Buch. Er hat eine Mythologie geschrieben, die in hundert Jahren noch genauso relevant sein wird wie in der Gegenwart oder in den Vierzigerjahren, als er sie entwarf.

STANDARD: Das Mittelalter erscheint aber als Leitepoche - die Zeit der ersten großen Auseinandersetzungen zwischen der christlichen Welt und der muslimischen. Ist die Vorlage ganz frei von Stereotypen, oder haben Sie den Film bewusst politisch korrekter gemacht?

Jackson: Wir wollen eine Fantasiewelt schaffen. Tolkien dachte an eine mythische Vorgeschichte vor 6000, 7000 Jahren. Unser Design basiert aber auf Epochen, von denen wir mehr wissen. Die Leute von Rohan sind eindeutig skandinavisch geprägt. Gondor entspricht mehr dem alten Rom: ein imperialer Ort. Es braucht immer eine solide Basis in der Wirklichkeit.

STANDARD: Haben Sie manchmal das Gefühl, dass ein Buch durch einen Blockbuster mit diesen Ausmaßen seine Unschuld verliert? Es wird wohl nie wieder einen jungen Menschen geben, der es lesen kann, ohne davor schon Bilder im Kopf zu haben.

Jackson: Das stimmt, allerdings würden viele Menschen das Buch nie lesen, gäbe es nicht den Film. Um 1997, als wir mit der Arbeit begannen, waren die Buchverkäufe im anglofonen Raum sehr niedrig. Sie haben sich jetzt mindestens verzehnfacht. Und liest man nicht auch heute noch Ian Fleming, obwohl man dabei immer an Sean Connery denken wird?

STANDARD: Die großen Epen des Kinos werden einander immer ähnlicher, zumindest was den mythischen Kern betrifft. Irgendwie hat man den Eindruck, dass "Der Herr der Ringe" durch die Verfilmung der verbindliche Text geworden ist, an dem sich sogar George Lucas orientieren wird müssen.

Jackson: Der Herr der Ringe hat den Vorteil einer Trilogie, die als solche geschrieben wurde. Im Gegensatz zu Matrix oder Star Wars haben wir alles gleichzeitig gemacht, immer mit Blick auf das Ziel. Wir haben dadurch eine Konsistenz, die uns vor Willkür schützt. Die Gefahr der Hollywood-Franchises ist ja, dass es anfangs einen Erfolg gibt, für den man die Fortsetzung erst erfinden muss.

STANDARD: Diese Konsistenz scheint Ihrem eigenen Werk zu fehlen. Oder sehen Sie eine Verbindungslinie von Ihren frühen Underground-Klassikern "Bad Taste" und "Braindead" bis "Herr der Ringe"?

Jackson: Ich bin immer noch derselbe Filmemacher. Man macht Filme, die aus dem Material bestehen, aus dem man sie machen möchte. Wenn ich einen Splatterfilm mit kleinem Budget mache, dann mache ich einen Splatterfilm mit kleinem Budget. Wenn ich Der Herr der Ringe adaptiere, dann adaptiere ich das Buch. Der Job des Filmemachens ist immer derselbe, egal ob ich einen Zombie auf die Leinwand bringen will oder einen Hobbit. Ich überlege mir etwas und setze es dann um.

STANDARD: Nächstes Jahr wird mit der (längeren) DVD-Version von "Die Rückkehr des Königs" das Epos endgültig abgeschlossen sein. Oder ist es doch eher ein Work in Progress, das Sie in zehn Jahren am Computer neu überarbeiten werden?

Jackson: Mir wäre es lieber, das wäre es jetzt einmal gewesen. Ich betrachte die Kinoversionen als die abgeschlossenen Werke. Die DVD-Fassungen sind eher an die Fans gerichtet. Wir mussten aus Gründen des Rhythmus für die Kinoauswertung auf Szenen verzichten, die wir sehr vermisst haben. Aber die Filme wären dadurch zu langsam geworden. Diese Passagen haben wir nun wieder eingefügt, durchaus auf die Gefahr hin, unsere Struktur zu sabotieren. Aber im Wohnzimmer können Sie auch eine Tasse Tee trinken, wenn es fad wird.

STANDARD: Es wird nicht leicht für Sie sein, aus dem Schatten dieses Werks herauszutreten.

Jackson: Das mag sein. Es hängt davon ab, wie Sie Schatten definieren. Ich versuche eben, jedes Mal einen unterhaltsamen und vergnüglichen Film zu machen. Das Thema ist eigentlich egal.

STANDARD: Ihr nächstes Projekt, ein Remake von "King Kong", wird wieder ein Blockbuster. Jackson: Ja, aber dafür gibt es ganz pragmatische Gründe. Wir wollen unbedingt das neuseeländische Team zusammenhalten. 1996, bevor wir uns für Der Herr der Ringe entschieden, haben wir acht Monate an King Kong gearbeitet. Universal wollte das jetzt einfach machen. Aber ich werde sicher wieder Filme mit kleinerem Budget machen und darauf achten, dass meine Karriere erratisch bleibt. (DER STANDARD, Printausgabe, 13./14.12.2003)