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In der Hauptstadt Bagdad detonierte am Montag eine Autobombe.

Foto: REUTERS/Ali Jasim
Am Tag nach der Festnahme Saddam Husseins ist Bagdad am Montag zum Alltag zurückgekehrt. Die Autofahrer stellten sich erneut an den Schlangen vor den Tankstellen an, wo sie sich auf viele Stunden Wartens einstellen mussten, um ihre auf 50 Liter rationierte Benzinmenge tanken zu können. Die glücklichen Besitzer von Generatoren warfen ihre Geräte auch an diesem Morgen an, um ihre Elektroheizgeräte auch während der stundenlangen Stromausfälle betreiben zu können. Besorgte Eltern fuhren auch an diesem Morgen ihre Kinder zur Schule und wieder zurück, in steter Angst, die Sprösslinge könnten entführt werden.

Zehn Tote bei Anschlägen

Zum Alltag im Irak gehörten auch die zwei Autobomben, die Montagfrüh vor Polizeiwachen in Bagdad und im 30 Kilometer nördlich gelegenen Husseiniya detonierten. In dem kleinen Ort im Bagdader Umland riss der Selbstmordattentäter neun Menschen in den Tod. Bei der Attacke auf den Sitz der Kriminalpolizei in der Bagdader Vorstadt Ameriya starb ein Mensch, viele weitere wurden verletzt.

Es ist dieser Alltag, der die Menschen in Bagdad am Sonntag, als die Gefangennahme Saddams bekannt wurde, nur in Maßen jubeln ließ. Die größte Kundgebung stellte die unter Saddam brutal verfolgte Irakische Kommunistische Partei auf die Beine. Das rote Fahnenheer markierte wohl einen der seltenen historischen Momente, in denen sich Kommunisten ehrlich über eine Aktion der amerikanischen Streitmacht freuten.

Saddam selbst wurde an einem geheimen Ort - möglicherweise im Golf-Emirat Katar - ersten Verhören unterzogen, die offenbar nicht viel brachten. Regierungsratsmitglied Adnan Pachachi war in einer Gruppe irakischer Politiker, denen das US-Militär eine Gegenüberstellung mit dem Topgefangenen arrangierte.

Saddam uneinsichtig

"Er schien sehr müde", sagte Pachachi anschließend vor Journalisten, "aber auch uneinsichtig, wenn nicht gar trotzig". Unmittelbar bei der Festnahme war er wohl etwas gesprächiger. US-Major Bryan Reed, der dabei war, erzählte am Montag der Presse am Schauplatz, dem Dorf Al Dawr bei Tikrit: "Er sprach englisch. Er sagte: Mein Name ist Saddam Hussein. Ich bin der Präsident des Irak und ich möchte verhandeln." Die US-Soldaten hätten dann nur amüsiert entgegnet: "Schöne Grüße von Präsident Bush."

Die meisten Iraker können aber mit derlei frivolen Späßen nicht viel anfangen. Die Art und Weise, wie Saddam am Sonntag präsentiert wurde - und am Montag immer noch von allen Zeitungskiosken prangte -, als verwahrloster und zerzauster Rauschebart mit dem Spatel eines jungen US-Militärarztes im Mund, hat selbst dort Befremden ausgelöst, wo man es nicht erwarten würde. Der 28-jährige Haidar, ein Schiit aus dem Bagdader Geschäftsviertel Karrade, meinte in ernstem Ton: "Selbst wenn er ein Verbrecher ist, so hätte er nicht behandelt werden dürfen." Immerhin sei der Mann, der für die willkürliche Tötung Zehntausender Angehöriger der schiitischen Glaubensrichtung verantwortlich zeichnete, "Präsident einer arabischen Nation" gewesen. Die Demütigung, so wie sie von den Amerikanern zelebriert wurde, werde den Aufstand noch zusätzlich anfeuern.

"Saddam Hussein ist doch schon lange fertig"

Viele Sunniten wiederum scheinen sich schon lange von ihrem Leittier abgewandt zu haben. "Saddam ist doch schon lange fertig", sagte der Geldwechsler Imad Dschabar, der mit seinem Kleinbus jeden Tag auf dem Firdaus-Platz vor dem Hotel "Palestine" steht. Am 9. April, als die US-Panzer nahezu kampflos in Bagdad einrollten, war es mit Saddam vorbei. Die Schande in Dschabars Augen steigerte sich noch dadurch, dass Saddam - obwohl mit zwei Kalaschnikows und einer Pistole bewaffnet - nicht einmal Anstalten einer Gegenwehr machte. Major Reed bestätigte am Montag, dass sein Greiftrupp kurz davor war, eine Handgranate in Saddams Erdloch zu werfen, doch der Gesuchte hatte sich gerade noch rechtzeitig ergeben. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.12.2003)