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Reuters/OLIVIER HOSLET
Am 20. 11. 2003 hat der Europäische Gerichtshof eine für das Outsourcing von Unternehmensfunktionen wichtige Entscheidung getroffen (C-340/01 vom 20. 11. 2003 - Abler u.a.). Es ging um den Erhalter des Orthopädischen Spitals Wien-Speising, der die Verpflegung von Patienten und Personal im Jahre 1990 an das Großküchenunternehmen Sanrest ausgelagert hatte.

Zur Erfüllung dieses Auftrages bekam Sanrest neben den Räumlichkeiten (Küche und sonstige Betriebsräume) und des notwendigen Groß- und Kleininventars auch Wasser und Strom zur Verfügung gestellt. Wegen Unstimmigkeiten zwischen den Vertragspartnern wurde der Vertrag 1999 beendet und nach einer Ausschreibung an das Cateringunternehmen Sodhexo vergeben.

Bei der Auftragsübernahme übernahm Sodhexo von Sanrest keinerlei Betriebsmittel wie etwa Speisepläne oder Warenlager und bot auch keinem einzigen Arbeitnehmer eine Weiterbeschäftigung an. Möglicherweise wollte Sodhexo dadurch das Risiko minimieren, mit dem Auftrag einen so genannten "Betriebsteil" zu übernehmen.

Unerwünschte Rechtsfolge

Dies hätte nämlich die für Sodhexo unerwünschte Rechtsfolge gehabt, dass die eingesetzten Arbeitnehmer der Sanrest von Gesetzes wegen (zwingend) zu gleichen Rechten und Pflichten weiterzubeschäftigen gewesen wären (§ 3 Abs 1 AVRAG). Eine Kündigung dieser Arbeitnehmer wäre nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig gewesen.

Der EuGH hat nun allerdings Sodhexo die Suppe gehörig versalzen. Zunächst wiederholte der Gerichtshof seine ständige Rechtssprechung, wonach die Frage des Betriebs(teil)übergangs unter Berücksichtigung folgender Umstände zu beurteilen ist: Art des Unternehmens, Übergang materieller und/oder immaterieller Betriebsmittel, Übernahme der Hauptbelegschaft, Übergang der Kundschaft, Ähnlichkeit der Tätigkeit vor und nach dem Übergang sowie Dauer einer allfälligen Unterbrechung.

Sekundäre Kochkunst

Hierauf führte der EuGH aus, dass bei der Verpflegung von Patienten und Personal mit Speisen und Getränken "der menschlichen Arbeitskraft" keine entscheidende Bedeutung zukomme, weil hierfür "Inventar in beträchtlichem Umfang" erforderlich sei. Im vorliegenden Fall hatte Sodhexo (bloß) das Anlagevermögen (Küche und sonstige Betriebsräumlichkeiten, Inventar) übernommen.

Dieses war vom Spitalerhalter dem jeweiligen Auftragnehmer für die Vertragsdauer zur Nutzung überlassen worden. Die Nichtübernahme des Personals spielte für den EuGH keine wesentliche Rolle und konnte daher den Übergang der Arbeitnehmer von Sanrest auf Sodhexo nicht verhindern. Gegenteilig hatte der Gerichtshof etwa für den Reinigungsbereich entschieden, wo es auf die Übernahme "eines nach Zahl und Sachkunde wesentlichen Teils des Personals" ankommen soll (11. 3. 1997, C-13/95, Süzen).

Für das Outsourcing bedeutet diese Entscheidung des EuGH: Die Übernahme des Personals ist beim Auftragnehmerwechsel (aber auch beim erstmaligen Outsourcing!) kaum zu vermeiden, wenn zur Leistungserstellung wesentliche materielle Betriebsmittel erforderlich sind, die dem Auftragnehmer zur Verfügung gestellt werden.

Größtes Augenmerk auf Vertragsgestaltung

Es sollte daher der Vertragsgestaltung bereits beim (erstmaligen) Outsourcing größtes Augenmerk geschenkt werden, um die finanziellen Belastungen durch die Personalübernahme für einen neuen Auftragnehmer oder den Auftraggeber selbst (Insourcing) möglichst gering zu halten.

So wäre insbesondere zu klären und in einer Namensliste festzuhalten, welche Arbeitnehmer vom Auftragnehmer zu übernehmen sind. Personelle Maßnahmen wie Gehaltserhöhungen, Versetzungen oder Kündigungen gegenüber dieser Dienstnehmer sollte der Auftragnehmer nur in Abstimmung mit dem Auftraggeber vornehmen dürfen. Umgekehrt sollte sich der Auftragnehmer vorsehen, dass er nur den aliquoten Anteil einer allfälligen Abfertigung, eines Jubiläumsgeldes, etc. zu tragen hat. (DER STANDARD Printausgabe, 16.12.2003, Andreas Tinhofer)