Experte Heinz Mayer über den ÖVP-Entwurf zur Verfassungs-Präambel: "Gott wäre mit dieser Formel nicht aus der neuen Verfassung, im Gegenteil, er wäre eindeutig drinnen."

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Wien - Wie die Wiener Stadtzeitung "Falter" in ihrer kommenden Ausgabe berichtet, spricht sich die ÖVP mit ihrem Entwurf für die Präambel zur neuen Verfassung ausdrücklich für die Formulierung "im Bewusstsein der Verantwortung vor Mensch und Schöpfung" aus, obwohl Nationalratspräsident Andreas Khol meinte auf einen Gottesbezug verzichten zu wollen, da er schließlich "nicht kirchlicher als die Kirchen" sein wolle.

"Gott wäre mit dieser Formel nicht aus der neuen Verfassung, im Gegenteil, er wäre eindeutig drinnen", sagt Heinz Mayer, Verfassungsexperte und Vorsitzender des Konvent-Ausschusses für "Staatsaufgaben und Staatsziele": "Denn wenn es eine Schöpfung gibt, gibt es automatisch auch den Schöpfer." Clemens Jabloner, Präsident des Verwaltungsgerichtshofes und ebenfalls Konventsmitglied, sieht das ähnlich. "Diese Formulierung halte ich für dieselbe wie die vorige", meint er, "der Terminus ,Schöpfung' läuft auf den Verweis hinaus, dass es etwas von einem übermenschlichen Wesen Gemachtes gibt."

Die möglichen Folgen

Mayer beschreib im "Falter" auch die möglichen Auswirkungen der ÖVP-Präambel, auf welche sich die Richter stützen würden, falls ein umstrittenes Gesetz vor dem Verfassungsgerichtshof landen würde: Es "könnte sogar die Fristenlösung wieder angefochten werden". Im Zweifel würden "die Richter abwägen müssen", ob ein Schwangerschaftsabbruch "überhaupt mit dem Schöpfungsgedanken vereinbar" sei. "Möglicherweise kommt man dann zu dem Schluss, dass Abtreibung Tötung sei, und erklärt sie für unzulässig." Ebenso lässt sich darüber streiten, ob Organtransplantationen, künstliche Befruchtung oder der gesamten Bereich der bioethischen Forschung im Sinne der "Schöpfung" sind. Auch das Sexualstrafrecht wäre betroffen. Streng genommen müsste dann geklärt werden, ob Homosexualität verfassungsrechtlich verboten ist oder nicht, so Mayer. Auch der Anwalt Alfred Noll warnt: "Bei strittigen Themen wäre eine Präambel, wie sie Khol vorschlägt, Munition für die ÖVP."

Khol: "Kraus und wirr"

"So kraus und wirr kann niemand denken", sagt hingegen Andreas Khol: "Jede Diskriminierung ist ausgeschlossen. Die Kritiker sind hier negativ fixiert." Der Nationalratspräsident argumentiert auch, dass die Präambel mit der umstrittenen Formulierung, die er vom - abgelehnten - Vorschlag der europäischen Bischofskonferenz für die EU-Verfassung übernommen hat, im Übrigen nicht einklagbar sei.

Der gesamte Bericht erscheint im kommenden Falter .