Der EU-Verfassungsgipfel sei gescheitert, weil zwei Staaten nationale vor europäische Interessen gestellt hätten, so der deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder. Er meinte Polen und Spanien und übersah, dass er zugleich die Mitschuld zweier anderer Länder an der Krise offen legte. Deutschland und Frankreich handeln seit Monaten genau nach dem Prinzip, das Schröder anderen ankreidet. Ihr egoistischer Gewaltakt gegen den Euro-Stabilitätspakt kurz vor dem Gipfel war das vorletzte Beispiel einer Attitüde, die sich auch woanders breit macht.

Das letzte Beispiel liefern wieder Berlin und Paris, gestützt von Wien, London, Den Haag und Stockholm. Diese recht heterogene Sechsergruppe eines Kerneuropa der Nettozahler ist sich in einem einig: Trotz der Ausweitung der EU-Politikfelder, die viele dieser Staaten verlangen, trotz der von ihnen gefeierten Gründung immer neuer EU-Agenturen und trotz der EU-Erweiterung soll das EU-Budget auf dem heutigen Stand eingefroren werden. Das passt nicht zusammen - bei allem Verständnis für die Budgetnöte der Stabilitätspaktbrecher in Berlin und Paris.

Auch wenn der "Brief der sechs" eher als Verhandlungstaktik vor der Debatte über die EU-Finanzperspektiven ab 2007 zu sehen ist, erregt er doch Besorgnis. Die Spalterqualitäten des "Briefs der acht" zur Unterstützung der US-Irakpolitik erreicht er nicht, er könnte aber zumindest einen Keil zwischen bald konkurrierende Nettoempfänger wie Spanien und Polen treiben - und zwischen die Geber und die Empfänger der EU insgesamt.

Einen Keil trieb er auch in die EU-Kommission: Der deutsche Kommissar Günter Verheugen, der eine zweite Amtszeit von Schröders Gnaden anstrebt, beeilte sich, Berlin beizuspringen. Im EU-Vertrag steht aber: "Die Mitglieder der Kommission üben ihre Tätigkeit zum allgemeinen Wohl der Gemeinschaften aus." (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.12.2003)