Howard Dean, der zurzeit wahrscheinlichste demokratische Gegenkandidat Bushs, habe einen großen Nachteil und einen großen Vorteil. Der Nachteil: Dean würde zwar die links der Mitte stehenden Wähler in den Küstenstaaten problemlos hinter sich versammeln, aber bei den zentristischen Wählern – Demokraten und Republikanern – im Mittleren Westen hätte er einen schweren Stand. "Genau dort aber werden die Wahlen entschieden, in Staaten wie Ohio, Michigan, Wisconsin."
Deans Stärke: Er habe das Zeug, eine neue Vision von Amerika zu formulieren und sich den vielen zynisch gewordenen Wählern als systemfremde Alternative zu präsentieren.
Drei Phasen
Kupchan, der am Mittwoch auf Einladung des Renner-Instituts in Wien über den Stand der transatlantischen Beziehungen referierte, glaubt im Denken der Bush-Regierung über Europa drei Hauptphasen erkannt zu haben. In der Anfangszeit erschien Europa als irrelevant, als ein Kontinent von "Zigarettenrauchern und Weintrinkern, die einfach nicht wahrhaben wollen, welche Gefahren es in der Welt gibt". Dann kam Phase zwei, in der Europa als "Hemmschuh oder sogar Bedrohung" betrachtet wurde.
Darauf habe die US-Politik mit einer Teile-und-herrsche- Taktik reagiert ("desagrega^tion" im Washingtoner Politjargon) und den seit 1945 bestehenden Konsens aufgekündigt, dass ein geeintes Europa dem US-Sicherheitsinteresse am besten diene. Derzeit glaubt Kupchan eine Phase der Besinnlichkeit zu orten, in der die ärgsten Spitzen aus Phase zwei zurückgenommen und ein konzilianterer Kurs eingeschlagen werde.
Ungeachtet dessen befänden sich die USA und Europa an einem Scheideweg, von dem eine Abzweigung bis zur völligen Entfremdung und Trennung führen könnte. Das, meint Kupchan, wäre ein "Desaster" und würde die Lösung aller weltpolitischen Probleme vom Terrorismus bis zu Aids erschweren.
Kupchan hält im Übrigen eine US-Politik, die Europa abschätzig behandelt, für weltfremd und kurzsichtig. Denn Europas weltpolitische Bedeutung werde mit seiner zunehmenden Integration zunehmen – daran ändere auch ein geplatzter EU-Verfassungsgipfel nichts. Auch die US-Bundesstaaten hätten sehr, sehr lange gebraucht, ehe sie zur nationalen Einheit zusammenfanden: Trotz der gemeinsamen Sprache "waren Virginia und Massachusetts im 18. Jahrhundert voneinander so weit entfernt wie Österreich heute von den Niederlanden."(Christoph Winder/DER STANDARD, Printausgabe, 19.11.2003)