Foto: STANDARD/Cremer
Die meisten KommentatorInnen waren sich einig, dass es ungeschickt war, für die arabische Welt eine Zumutung und daher höchstwahrscheinlich kontraproduktiv. Die Rede ist von den Bildern Saddam Husseins, der vor laufender Kamera von amerikanischen Soldaten u.a. intensiv an Gebiss und Rachen auf was auch immer untersucht wurde. Er sei bei dieser öffentlichen Darstellung auf eine Weise seiner Menschenwürde beraubt worden, die "für arabische Begriffe abscheulich" sei, wie Scholl-Latour es ausdrückte, womit die Chance, diesen Erfolg der Amerikaner gut zu verkaufen jedenfalls bei diesen Menschen vertan wurde.

So sehr ich die Einschätzung teile, reicht sie mir nicht aus. Weil es einfach nicht ausreichend ist und sein darf, die Verletzung von Menschenrechten unter strategischen Gesichtspunkten abzuhandeln. Und weil darüber hinaus damit kein Wort über die Verantwortlichkeit der jeweiligen Übermittler dieser Bilder gesagt ist.

Zerstörung des Nimbus des Diktators

Wenn die Amerikaner auf diese Weise die (strategisch durchaus notwendige) Zerstörung des Nimbus des Diktators erreichen wollen, indem sie ihn in seiner Einsamkeit und Hilflosigkeit zeigen, so ist das eine Sache. Eine ganz andere Sache ist es, wenn europäische Stationen, inklusive der ORF, derartige Bilder übernehmen und damit in Eigenverantwortlichkeit die Demontage der Menschenwürde mitbefördern.

Sensationsgeilheit

Man wird mir hoffentlich bei diesen Ausführungen nicht Mitleid oder gar eine Verteidigungsabsicht unterstellen. Aber eine zivilisierte Gesellschaft ist auch daran zu messen, wie sie mit ihren Gegnern und sogar Feinden umgeht. Die auch im ORF x-mal wiederholten Bilder Saddams waren mir schlicht zuwider. Sie waren Ausdruck von Sensationsgeilheit ohne journalistische Verantwortung und jene Zeitungen, die die Bilder übernahmen, setzten auf dasselbe Pferd.

Diese Art der Berichterstattung war nicht nur "ungeschickt". Sie ist Beleg für ein völlig unterentwickeltes Grundrechtsbewusstsein, welcher Mangel uns schon in vielen Bereichen zu schaffen gemacht hat. Ich möchte hiermit dagegen anschreiben, dass die Verletzung der Menschenwürde zulässig wird, wenn es um „die Bösen“ geht. Und auch wenn es in diesem Zusammenhang noch Wichtigeres zu erörtern gibt: Weder dürfen wir abstumpfen noch Derartiges kommentarlos hinnehmen. Schon gar nicht, wenn die Verantwortlichen so klar zu benennen sind.