Frankfurt/Berlin/Düsseldorf/Turin - Der von Ministerpräsident Ariel Sharon in seiner sicherheitspolitischen Grundsatzrede am Donnerstagabend angekündigte Alleingang Israels, der auf eine unilaterale Grenzziehung hinauslaufen würde und von den USA abgelehnt wird, ist am Freitag Gegenstand von verschiedenen Pressekommetaren:

"Handelsblatt":

"Der Premier (Ariel Sharon) steht unter Druck: In den vergangenen Tagen haben sich mehrere Minister mit eigenen Plänen profiliert; Industrieminister Ehud Olmert schlug einen einseitigen Rückzug aus dem größten Teil der Westbank und des Gaza-Streifens vor. Damit würde Israel die seit 36 Jahren anhaltende Besatzung der Westbank beenden. Olmert begründet seinen Plan mit einem für Israel ungünstig verlaufenden demografischen Trend. Weil es im Kerngebiet Israels und in den besetzten Gebieten in wenigen Jahren eine arabische Mehrheit geben wird, müsse sich Israel auf eine Linie zurückziehen, wo 80 Prozent der Bevölkerung Juden sind. Das würde einen Verzicht auf 90 Prozent der Westbank bedingen - wohl deutlich mehr, als Sharon aufgeben will. (...) Schon heute ragt die im Bau befindliche Sperranlage, die Sharon jetzt beschleunigt fertig stellen will, stellenweise weit in autonomes Gebiet hinein. Ob Israels Regierungschef die Abtrennung auch tatsächlich umsetzen kann, wird von Beobachtern allerdings bezweifelt. Die mächtigen rechten Parteien wollen sich jeder Evakuierung von Siedlungen widersetzen. Bereits geringfügige Konzessionen könnten zu einer Koalitionskrise führen."

"FTD - Financial Times Deutschland":

"Der israelische Premier hat der palästinensischen Führung mit einseitigen Schritten gedroht. Sollten die Palästinenser ihn zu solchen einseitigen Schritten zwingen, würden sie am Ende weniger Land gewinnen als über den Verhandlungsweg. (...) Alle einseitigen Maßnahmen würden aber erst nach voller Absprache mit den USA umgesetzt, versprach Sharon. Dramatische Entwicklungen vor dem kommenden Herbst macht das unwahrscheinlich, denn dann wird in den USA der Präsident gewählt. Der Friedensprozess wäre für US-Präsident George W. Bush ein heikles Wahlkampfthema."

"Frankfurter Rundschau":

"Sharon steht unter Druck. Nicht nur außenpolitisch, weil auch US-Präsident Bush ihn unmissverständlich ermunterte, sich an der 'Roadmap' zu orientieren. Zugleich ist auch innenpolitisch die Erwartung an den Premier gewachsen, während er sich mit einem stetigen Popularitätsschwund in Meinungsumfragen konfrontiert sieht. Israelische Medien berichten, dass sich in der Bevölkerung nach mehr als drei Jahren unentwegten Terrors und angesichts der wirtschaftlichen Krise eine gewisse Hoffnungslosigkeit breit mache. Gegen die Enttäuschung setzen viele Bürger auf das 'Genfer Abkommen', einen inoffiziellen Friedensvertrag zwischen Linkspolitikern und moderaten palästinensischen Partnern. Eine Initiative, die ständig populärer wird. Das kann auch Sharon nicht entgehen. (...) Für Beobachter besteht kein Zweifel: Sharon steht ein delikater Seiltanz bevor."

"La Stampa":

"Sharon richtete sich in erster Linie an den Israeli auf der Straße, der ausgelaugt ist von drei Jahren palästinensischer Attentate, von der wirtschaftlichen Rezession und der tief greifenden sozialen Krise. Sharon hat sich auf David Ben Gurion im Jahr 1948 berufen, hat die Bevölkerung aufgerufen, mit allen Kräften einen demokratischen und soliden jüdischen Staat aufzubauen. Eine Rede a la Churchill, in der er betonen wollte, dass den Israelis eine schwierige Aufgabe bevorsteht..." (APA/dpa)