Wien - Mit den Stimmen der SPÖ und gegen den Widerstand der Rathaus-Opposition hat der Wiener Gemeinderat am Freitag eine grundlegende Umstrukturierung des städtischen Sozialwesens beschlossen. Ein Großteil der Agenden wird dabei unter der operativen Führung des "Fonds Soziales Wien" (FSW) zusammengefasst. Die politische Verantwortung wandert vom Sozial- ins Gesundheitsressort. ÖVP, Grüne und FPÖ befürchten einen politischen Kontrollverlust und Verschlechterungen für die Empfänger der Sozialleistungen.

Laut dem Beschluss werden die Agenden der bisher für Soziales zuständigen Abteilungen MA 12 und 47 ab 1. Jänner 2004 zunächst in einer provisorischen MA 15A zusammen gefasst. Per 1. Juli soll dann der "Fonds Soziales Wien" unter der Leitung des ehemaligen Drogenkoordinators der Stadt, Peter Hacker, die Aufgaben übernehmen. Es geht dabei um ein Budget von jährlich rund 500 Millionen Euro und 500 bis 600 Mitarbeiter.

"Bittsteller"

Der FSW entscheidet künftig über die Finanzierung und Förderung von Leistungen zur Behinderten-, Wohnungslosen-, Senioren- oder Flüchtlingshilfe. Die Richtlinien definiert der Fonds, ein gesetzlicher Rechtsanspruch besteht nicht. Hier setzt auch die Kritik der Opposition an, die die Hilfsbedürftigen zu "Bittstellern" degradiert sieht. Durch die Umstellung der Förderpraxis werde versucht, das Bundesvergabegesetz bzw. das EU-Wettbewerbsrecht zu umgehen. Klagen von nicht berücksichtigten kommerziellen Anbietern seien nur eine Frage der Zeit.

Weiters sehen FPÖ, ÖVP und Grüne durch die Konstruktion des Fonds die politische Kontrolle ausgeschaltet. Die entscheidenden Organe (Präsidium, Kuratorium, Geschäftsführer) würden von der SPÖ, die über eine absolute Mehrheit verfügt, im Alleingang bestellt. Der Beirat, in dem auch die Rathaus-Opposition vertreten ist, habe keine Entscheidungskompetenz.

"Gnade Gott

Entsprechend heftig fielen die Oppositionswortmeldungen im Gemeinderat aus. "Sie fahren mit ihrer absoluten Mehrheit über alles drüber, was in Richtung mehr Demokratie, mehr Transparenz und mehr Mitgestaltung geht", warf Martin Margulies von den Grünen der SPÖ vor: "Gnade Gott dem Verein, der sich einmal traut, gegen die Sozialdemokraten aufzumucken."

Ähnlich argumentierte VP-Gemeinderätin Ingrid Korosec. Die SP-Stadtregierung habe die Opposition bei der Umgestaltung nicht eingebunden und Hilflosigkeit, Konzeptlosigkeit und mangelndes demokratiepolitisches Verständnis bewiesen. "Ihr wollts die Opposition abstinken lassen", meinte gar Günther Barnet von der FPÖ. Die Ausgliederung sei ein "ein Topfen, ein Humbug" und ein "Trauerspiel". Geschäftsordnungsmäßige Zuständigkeiten würden an ein Organ überantwortet, das es laut Stadtverfassung gar nicht gebe.

SP-Gemeinderätin Elisabeth Neck-Schaukowitsch wies die Kritik zurück. "Es gibt eine Regierung, es gibt eine Opposition und es gibt keine Konzentrationsregierung", meinte sie. "Stadtpolitik ist nicht so, dass die Opposition zu entscheiden hat, was zu geschehen hat." Im Übrigen werde der FSW selbstverständlich genaue Vorgaben der Stadt für seine Arbeit erhalten, über Geldmittel nur auf Beschluss des Gemeinderats bekommen und den Prüfungen des Kontrollamts unterliegen. (APA)