Jörg Haider ist diese Woche mit der verbalen Keule ausgerückt und hat die Regierung, aber auch sich selbst in Bedrängnis gebracht. Überraschend sind seine Äußerungen nicht. Sie passen sogar gut zu einer Grundstimmung des undifferenzierten Antiamerikanismus, die auch vor gebildeteren Schichten nicht Halt macht, sprich: Amis können nicht mit Messer und Gabel umgehen, ihre Regierung ist imperialistisch und ihre Sozialpolitik unter jeder Kritik. Nur in Sachen diffuser "Modernität" stellt man den USA ein sehr gutes Zeugnis aus.

In Summe übersieht good old Europe aber gern, dass die Amerikaner viel dienstleistungsbewusster, risiko- und innovationsfreudiger sind: US-Bürger wechseln in der Regel schneller den Job oder machen sich selbstständig und würden sich explizit dagegen wehren, einen so großen Teil ihres Einkommens, aber auch ihrer sozialen Verantwortung an den Staat abzugeben, wie dies in Europa üblich ist. Und sie bekommen mehr Kinder.

Das alles stößt hier auf Nasenrümpfen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ist der Proamerikanismus als Antithese zum Kommunismus in Europa schwer aus der Mode gekommen. Gleichzeitig hat das (Selbst-)Bewusstsein eines vereinigten Europas bei allen österreichischen Parteien - sogar in der FPÖ - sprunghaft zugenommen. Eine Entwicklung, die Jörg Haider in besonders scharfem Maße genommen hat: Den früheren Amerika-Fan, der zeitweise sogar dort studierte, hat die Welle der Empörung gegen die schwarz-blaue Regierung - und speziell gegen ihn - offenbar ins Mark getroffen. Auf der Suche nach anderen Freunden stieß er auf die zum Teil ebenfalls verfemte arabische Welt, wo Antiamerikanismus (und Antisemitismus) opportun sind. Haider spielt wieder einmal mit latenten Gefühlen. Dass sie auch hier vorhanden sind, ist leider nicht zu leugnen. (DER STANDARD, Printausgabe, 20/21.12.2003)