Zwei Personen auf den Brettern, die hierorts das öffentliche Leben bedeuten, haben zurzeit kleine Probleme mit ihrer - wie das heute so schön heißt - Performance: Der Bachelor Marcel und der Haider Jörg. Zwischen den beiden gibt es zwar einige Unterschiede, aber auch auffallende Parallelen. Etwa tun beide so, als wären sie in einer exotischen Unterhaltungsbranche tätig, in der sie sich intensiv bemühen, unter den Frauen, die sie umgeben, die jeweils devoteste herauszufiltern.

Beide werden sie von ihrer Umwelt ganz unterschiedlich, oft sogar widersprüchlich beurteilt, wie aus den Fachpublikationen hervorgeht. Es schreibt "tv-media" in seiner neuesten Ausgabe über Marcel, er sei ein Pograpscher, der die Mädels mit Alkohol gefügig mache und sie im Zehn-Minuten-Rhythmus zwecks erotischer Zungengymnastik aufs Zimmer bittet. So zumindest die Vorwürfe deutscher Ex-Kandidatinnen.

Das sieht eine 28-jährige Intensivkrankenschwester aus Wien namens Natalie völlig anders. "Er ist ein Softie, schüchtern und antriebslos. Er musste sich immer Mut antrinken." Und das ist noch nicht alles. Natalie packt aus. Die Austro-Kandidatin über den Bachelor: Ein konservativer Softie - oder gar schwul?

Das hat über den Haider Jörg noch niemand ausgepackt. Seine Zungengymnastik gilt seinem persönlichen Freund Saddam Hussein und seinen persönlichen Feinden in Israel und den Vereinigten Staaten, ist also von Erotik ungefähr so weit entfernt wie ein Pograpscher von einem antriebslosen Softie, und es hat ihm noch niemand den Vorwurf gemacht, er habe sich die Mädels mit Alkohol gefügig gemacht, auch wenn viele Äußerungen von Susanne Riess-Passer, Ursula Haubner, Magda Bleckmann oder auch Benita Ferrero-Waldner gelegentlich einen Zungenschlag erkennen ließen, der mit Gymnastik im Sinne von Turnvater Jahn absolut nichts zu tun hatte.

Beim Bachelor lautet die Frage: Ist Marcel also kein Traumtyp, sondern eher ein Alptraum Marke Sexunhold? Sie könnte sich, lässt man einmal beiseite, was in Monika Lindners ORF unter Sex verstanden wird, ebenso gut auf Haider beziehen: Ist Jörg also kein Traumtyp, sondern eher ein Albtraum Marke Politunhold? Die Zahl derer, die ihn für einen Traumtyp halten, hat, seit er ebenfalls auf Regierungssender ist, rapide abgenommen, und wie beim Bachelor ist auch bei ihm die Zahl derer, die ihn für einen Alptraum halten, beträchtlich größer geworden.

Das ändert nichts daran, dass die Urteile über den Jörg ebenso weit auseinander klaffen, wie sich ein erotischer Zungengymnastiker von einem schüchternen Süffel unterscheidet. Die einen halten ihn für ein rechtspopulistisches Enfant terrible und für längst rücktrittsreif, im Gegensatz etwa zu seinem Kulturberater Andreas Mölzer, der in der letzten Nummer von "Zur Zeit" über ihn auspackt und in der Kompromisslosigkeit seines Urteils Natalie um nichts nachsteht. Er kündet uns von einem Jörg Haider "neu": Nicht mehr als jugendlicher Robin Hood, sondern als reifer Volkstribun.

Das ist eine Alternative, die sich von "Pograpscher oder Softie" en détail unterscheidet, aber nur deshalb, weil sich Andreas Mölzer nie so heftig um Haider Jörg bemühen musste, wie die Girls um Bachelor Marcel. Letztlich urteilt der Intensivkulturbruder über die Showauftritte Jörgs aber doch weniger streng als die Intensivkrankenschwester über jene Marcels. Wenn er mit Kärntner Chören als Solist heimische Lieder singt, wenn er mit dem wohl populärsten Kärntner, Franz Klammer, dessen 50. Geburtstag feiert, wenn er im Trachtenanzug bei patriotischen Feiern auftritt, in Zeltfesten als guter Kumpel, bei Fachtagungen als kompetenter Redner und zwischendurch als unermüdlicher Bearbeiter der Regierungsakten, dann demonstriert Haider, dass er weit mehr ist als das rechtspopulistische "Enfant terrible", zu dem ihn die Medien stempeln wollten.

Die Aufzählung zeigt, was den Jörg vom Marcel unterscheidet. Was die beiden wiederum verbindet: Du kannst das größte Universalgenie sein, das Bad Goisern je hervorgebracht hat - G'stanzelröhre, Pop-Gratulant, patriotische Trachtenpercht, Zeltfestkumpel und Fachredner in einem: Es bleibt dir nicht erspart, dass du von Intensivparteischwester Ursula ebenso missinterpretiert wirst wie der Bachelor von der Intensivkrankenschwester Natalie (oder von deutschen Ex-Kandidatinnen, je nachdem).

Geht nach ihrem letzten Auftritt die Rose noch einmal an Ursula oder an die gefügige Magda? Der Haider Jörg wird das schon richtig machen. Er, der weit mehr scheinen will, als das rechtspopulistische "Enfant terrible", das in Zeltfesten als allmählich vergreisender Zungengymnastiker auftritt, nämlich auch noch ein unermüdlicher Bearbeiter von Regierungsakten, verdient die volle Aufmerksamkeit des ORF-Unterhaltungschefs. Schließlich: Die 2. ,Bachelor'-Staffel wurde abgesagt. Wenn die Wähler Haiders 2. Staffel in Kärnten auch absagen, wäre er frei. (DER STANDARD; Printausgabe, 23.12.2003)