Die Wahrheit tut weh", sind die - von wem auch immer - bezahlten Inserate überschrieben, in denen der Kärntner Landeshauptmann seine jüngsten sadomasochistischen Aktionen gegen Israel und die Welt zu rechtfertigen versuchte, nachdem es ihm längere Zeit an Energie gefehlt hatte, anderen weh zu tun, weil er selber erst den Schmerz des von ihm herbeiinszenierten Debakels seiner Partei verkraften musste. Berauscht von seiner Auferstehung wirft diese sich in seine Arme, statt endlich einmal zu demonstrieren, dass sie nach drei Jahren wenigstens ansatzweise eine Partei, reif für Regierungsverantwortung, geworden ist.

Mittelmäßige Figuren, denen nur Mangel an präsentablem Personal die politische Ochsentour erspart hat - wenn sie ohne Haider überhaupt in die Politik gefunden hätten -, gerade geeignet, von Wolfgang Schüssel gegängelt oder gleich übernommen zu werden, haben endlich ihren Führer wieder, und versteigen sich reflexartig zu Lobhudeleien, die im Lichte der jüngste Provokationen grotesk anmuten: Haider spiele wieder eine konstruktive Rolle. Selbst wenn er damit keinen Erfolg haben sollte, hat er ihnen wenigstens wieder einmal die Verantwortung abgenommen.

Der Trick ist nicht neu: Wer anderen weh tun will, bezeichnet das Instrument, mit dem er es tut, als "die Wahrheit", um sich desto glaubwürdiger als Retter verkaufen zu können. In Haiders Fall zum Schleuderpreis, denn er hat dieses Spiel zu oft gespielt, um noch als nationaler Heiland durchgehen zu können. Als Außenseiter ja - in dieser Rolle ist man ihn gewohnt, und es werden sich gewiss Wähler finden, die ihm den Rebellen gegen eine rechtskonservative Regierung abnehmen, die ihre Existenz ihm verdankt. Selbst gewähltes Außenseitertum ist außerdem der bequemste Weg zu den Wonnen des Selbstmitleids, sollten einem die Wähler politische Wonnen versagen.

Direkt müssen sich von den Wahrheiten eines Saddam-Kumpels nur jene quälen lassen, die auf seine Zustimmung zum Weiterregieren und auf seine Unterstützung bei den kommenden Wahlgängen angewiesen sind. Die unverblümte politische Erpressung, der die ÖVP bisher nichts entgegenzusetzen hatte als verlegenes Gestammel, dürfte der Vorgeschmack auf einen Wahlkampf um die Hofburg im kommenden Frühjahr sein - so peinlich, wie er nur noch die Ära Waldheim einleitete.

Nichts muss einer Außenministerin mehr weh tun als ein Koalitionspartner mit solchen Wahrheiten. Und nichts beschädigt den Ruf einer theoretisch möglichen künftigen Bundespräsidentin mehr, als wenn sie diese Wahrheiten als "völlig absurd" abzutun sich müht, aber von ihrem Mentor, dem Kanzler, mit dem Hinweis auf das Recht der freien Meinungsäußerung zurechtgestutzt wird. Gar nicht zu reden von dem Rüffel Haiders, "die Frau Außenministerin muss noch lernen, wie man in Belastungssituationen reagiert", für den sich die Vorlaute dann kleinlaut vor ihm rechtfertigte: Es tut mir ja so Leid, aber ich hab' halt reagieren müssen. So erzählt es zumindest Haider, und lauter Widerspruch war nicht zu vernehmen.

Schon bisher in der ÖVP als Kandidatin angezweifelt, wird sich der Zweifel, ob Ferrero-Waldner je ein über den Parteien stehendes Staatsoberhaupt abgeben könnte, ausbreiten. Auch Thomas Klestil ist seinerzeit als penetranter Stimmenjäger durch dubiose Bemerkungen zur Haider-FPÖ aufgefallen - vor seiner Wiederwahl. Danach konnte er eine Regierung von Haiders Gnaden trotz ehrenwerten Widerstandes nicht verhindern. Wie erpressbar erst die nunmehrige ÖVP-Kandidatin bei ihrem ersten Anlauf ist, weiß niemand besser als der einschlägige Spezialist in solchen Dingen. Mit dieser Wahrheit wird er weh tun, und nicht nur ihr. Der Wahlkampf könnte grauslich werden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24./25./26.12.2003)