Friedensappelle - wann, wenn nicht zu dieser Zeit, sind sie fällig? Papst Johannes Paul II. hat in seiner Weihnachtsbotschaft denn auch wieder leidenschaftlich zum Ende von Krieg, Terrorismus und anderen Formen von Gewalt aufgerufen. Mit Ausnahme des Nahostkonflikts, den er ausdrücklich erwähnte, blieb der Papst allerdings allgemein.

UNO-Generalsekretär Kofi Annan nennt in seiner Neujahrsbotschaft dagegen die Dinge beim Namen. Der Irakkrieg habe von den brennendsten Problemen der Menschheit abgelenkt: Armut, Hunger, Krankheiten, Analphabetentum. Die Ziele des Millenniumsgipfels 2000, ohnehin nur ein Minimalprogramm bis 2015 - Grundschulbildung für alle Kinder, sauberes Wasser für alle Menschen, Eindämmen der Aids-Seuche -, rücken in den Hintergrund. Verdrängt, wie Annan es formuliert, "von der Flutwelle des Krieges und der Spaltung".

Annan kritisiert damit in verklausulierter Form die Politik der gegenwärtigen US-Regierung. Seine Rede vor der UN-Generalversammlung im September ist noch gut in Erinnerung. Damals warnte er vor dem Gesetz des Dschungels, wenn Länder ohne UN-Mandat Krieg führen.

Wenngleich sich die "Spaltung" auf die lange Blockade des Weltsicherheitsrats durch den Bush-Kurs bezieht, muss sich auch Europa angesprochen fühlen. Denn es ist auch das Versagen der Europäer, das sich in Annans deprimierender Analyse offenbart. Vielleicht käme die europäische Integration besser voran, wenn sich ihre Befürworter abseits von Verfassungsstreit und Kerneuropa-Debatte für ein gemeinsames Aktionsprogramm gegen Hunger, Armut und Analphabetismus stark machten - als praktizierte Gegenthese zu einer imperialen Politik, die ihren Kampf gegen den Terrorismus überwiegend militärisch führt und, ob in gutem Glauben oder nur vorgeschoben, als Dienst an der Weltgemeinschaft darstellt. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.12.2003)