Zur EU-Erweiterung sind den Freiheitlichen bisher meist die Begriffe Benes-Dekrete, Avnoj-Beschlüsse, Temelín und wohl auch noch Zuwanderung, Überfremdung und Schmutzkonkurrenz für den anständigen kleinen Mann eingefallen. Es ist noch keinen Monat her, dass zwei FPÖ-Abgeordnete im Parlament gegen die Ratifizierung der EU-Erweiterung gestimmt haben.

Von ihrem Klubobmann Herbert Scheibner (der als Verteidigungsminister der letzten Regierung ein bisschen außenpolitische Erfahrung sammeln konnte) wird die freiheitliche Fundamentalopposition nun korrigiert: Gerade die Beitrittsländer wären doch Staaten, die von Struktur und Größe her ähnlich seien wie Österreich. Da könnte man doch stärker als Gruppe auftreten und sich gegenseitig unterstützen.

Dieser Vorstoß zeugt in mehrfacher Hinsicht von Lernfähigkeit: Gerade die am stärksten an deutschnationalem Gedankengut orientierte Partei dürfte erkennen, dass Österreich vom heutigen Deutschland politisch wenig zu erwarten hat - österreichischen Spezialanliegen steht im Transitstreit die Macht deutscher Lkw-Flotten und in Umweltfragen die deutsche Atom- industrie entgegen.

Einen weiteren Lerneffekt signalisiert die Einsicht, dass man in der EU ja doch Partner braucht: Auch die Benelux-Staaten, die Skandinavier und die romanischen Länder treten gern (und erfolgreich) gemeinsam auf. Darauf hat EU-Kommissar Franz Fischler schon mehrfach hingewiesen - ohne in Wien viel Gehör zu finden. Bei Scheibner ist die Botschaft offenbar angekommen: 55 Jahre nach seinem Tod sollte der Österreichgegner Edvard Benes nicht mehr verhindern können, dass Österreich und seine Nachbarn eine gemeinsame Politik machen. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.12.2003)